Politische Führung besteht ja in letzter Zeit oft nur darin, aktuellen Trends nachzulaufen oder sie zu verstärken. Ein Unternehmen kann man auf diese Art nicht führen. Das hat SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner in dieser Woche schmerzhaft gemerkt. Je schwieriger die Botschaft an die eigene Truppe, umso mehr muss die Nummer 1 vorne stehen. Wer Mitarbeiter_innnen kündigen muss – und einer verschuldeten Partei mit schlechten Ergebnissen geht es da nicht besser als einer privaten Firma – der muss das offen und persönlich machen. Mit 27 Menschen persönlich reden ist notwendig und möglich, auch wenn es unangenehm und menschlich schwierig ist.
Auf die Dauer mehr Geld auszugeben als einzunehmen ist nicht möglich, das müssen auch Sozialdemokraten lernen. Immerhin, die darauffolgende Kampagne in allen Bereichen des Internets hat Pamela Rendi-Wagner bisher weggesteckt. Auch das gehört zu Führung, besonders unangenehme Situationen zu überstehen und nicht gleich die „Flinte in den Porsche werfen“, wie meine Lieblingsformulierung im Netz nach der jüngsten Peinlichkeit des Tiroler SPÖ-Chefs lautet. Ausgestanden ist die Krise der Roten aber noch lange nicht. Die Ottakringer SPÖ, aus der Michael Häupl und auch Gerhard Zeiler stammen, schreibt in einem Brief an die Parteiführung, diese habe unprofessionell, verantwortungslos und aus menschlicher Sicht untragbar gehandelt.
Die Kündigungen nicht persönlich mitzuteilen hätte eigentlich als Fehlgriff schon gereicht. Aber nicht der SPÖ. Dort war man offenbar auch darauf erpicht, die eigens einberufene Sondersitzung zum Thema Casino-Skandal zu stören. Also waren die Medien am Dienstag und am Mittwoch mit der SPÖ und Personalspekulationen für ihre Zukunft beschäftigt, anstatt mit den vergangenen Postenschacherern in ÖVP und FPÖ. Und auch im Parlament musste Rendi-Wagner jede Menge Zwischenrufe ertragen, die auf die missliche Lage der SPÖ hinwiesen. Die ÖVP hingegen ist es gar nicht mehr gewohnt, kritisiert zu werden, Sebastian Kurz will Journalisten klagen, die ihn in Zusammenhang mit der Casino-Affäre bringen. Es war mir daher ein Anliegen, mich in meiner Rede im Nationalrat diese Woche deutlich vor alle Journalist_innen zu stellen, die sich grundsätzlich bedroht fühlen oder gar gezielt von Kurz-Leuten eingeschüchtert werden.
Finanzminister Hartwig Löger durfte sich nicht einmal seinen Pressesprecher aussuchen, seine Ministerverantwortlichkeit war dem Bundeskanzler Kurz nichts wert, er und seine engste Umgebung haben alles bestimmt. Jetzt den ehemaligen Manager für alles verantwortlich zu machen ist einfach nur unanständig. Dabei stellt sich die Frage: Was macht die Politik aus Menschen? Der Manager Löger hätte sich von seinem Aufsichtsrat nämlcich niemals einen Mitarbeiter aufdrängen lassen, von dem er nicht überzeugt war. Aber der Politiker Löger musste einen „Deal“, der auf höherer Ebene vereinbart war, einfach weitergeben.
Das Abkommen von Honolulu
Die Causa Sidlo warf die Republik, die angeblich „neu regiert“ werden soll, in die Zeit vor 1961 zurück. Damals vereinbarten Schwarze und Rote am Weg zurück von einer Weltbanktagung in Honolulu, dass in der Nationalbank jeder Posten mit zwei Personen besetzt werden müsse. Das war ein Fortschritt. Denn bis dahin kursierte der Witz, man bräuchte im Staat immer drei Personen, einen Roten, einen Schwarzen und einen, der die Arbeit erledigt. Bei der Bestellung von Sidlo wurde ja darüber geredet, dass dieser zwar als CFO unerfahren sei, doch Vorstandschefin Bettina Glatz-Kremsner es eh auch selbst könne. Also es gab eine Frau für die Arbeit, eine schwarze. Parteizugehörigkeit soll ja in diesem Land kein Nachteil sein. Aber wenn es nur noch darum geht, wen man kennt und nicht darum, was man kann, dann gefährdet das unser aller Wohlstand.
Straches Reich der Rechnungen
Autoritäre System führen immer zu Korruption, auch und gerade in einer Partei. Heinz Christian Strache hatte die FPÖ nach Haiders Spaltung von Erfolg zu Erfolg geführt. Je besser die Wahlergebnisse, umso leiser die Fragen, wie der Chef mit fremdem Geld umgeht, dem der Partei und des Steuerzahlers. Die ehemalige Assistentin erzählt nun von seinen Methoden, Rechnungen umzuschreiben. Irgendwer in der FPÖ muss das gegengezeichnet haben, aber keiner hat sich getraut, etwas zu tun, solange Strache erfolgreich war. Trotz aller Strafverfahren, die da kommen werden, sieht sich er sich weiter als Politiker und wird höchstwahrscheinlich bei den Landtagswahlen in Wien antreten. Oder vielleicht sogar schon bald so in den Landtag einziehen, dafür muss nur ein FPÖler zurücktreten, Strache war ja im Jahr 2015 die Nummer 1 auf der Liste.
Die Zukunft sieht anders aus
Diese Polit-Spielereien und Spesentricks werden unseren erarbeiteten Wohlstand nicht erhalten. Mehr und bessere Ausbildung schon eher. In dieser Woche war ich mit meiner Kollegin Martina Künsberg am FH-Campus Favoriten. Das Team rund um Rektorin Barbara Bittner und Geschäftsführer Willi Behensky hat für uns eine beeindruckende Präsentation der Studienmöglichkeiten organisiert. Bei einer Führung sahen wir, wie praxisnahe dort in verschiedenen Bereichen von Bio-Sciences bis zur Medizin ausgebildet wird. Die Gründung der Fachhochschulen war ein wichtiger Schritt für das österreichische Bildungssystem. Aber damit darf noch lange nicht Schluss sein: Wir brauchen eine Professionalisierung der Elementarpädagog_innen, die Autonomie für Schulen, eine Verbesserung des Forschungsoutputs und vieles mehr. Da müssen wir auf die neue Regierung hoffen, die wirklich etwas verändern will, und auf eine starke (pinke) Opposition, die viele konkrete Vorschläge macht.
Querelen vor NATO-Gipfel
Wenige Tage vor dem Jubiläumsgipfel der NATO kommenden Dienstag und Mittwoch ist das Klima zwischen einigen Bündnispartnern drastisch abgekühlt, der Ton wird immer rauer. Gestern bezichtigte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan seinen französischen Counterpart Emmanuel Macron, eine "kranke Ideologie" zu verfolgen, weil dieser die Nordatlantik-Allianz für hirntot erklärt hatte. "Lassen Sie erstmal Ihren Hirntod überprüfen", so der Kriegstreiber vom Bosporus zum Franzosen im Élysée. Am Gipfel in London soll eigentlich gemeinsam das 70-jährige Jubiläum der NATO zelebriert werden. Doch seitdem Macron das Militär-Bündnis heftig kritisierte, nehmen die Debatten über Zustand und Zukunft der NATO kein Ende – und das ist grundsätzlich gut so, denn eine Reform ist bitternotwendig. Macron moniert zurecht, dass die Partner sich in essenziellen strategischen Fragen nicht abstimmen. Deutlich gezeigt hat das nicht zuletzt die jüngste türkische Offensive in Nordsyrien.