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100 Tage Krieg

Wer am 23. Februar irgendwo in Europa die Frage gestellt hätte, ob es auf unserem Kontinent bald wieder Krieg geben würde, hätte in erstaunte Gesichter geblickt. Putins Rhetorik war kriegerisch, das schon, aber das war sie schon länger. Dass er einen Tag später wirklich seinen Nachbarn Ukraine angreifen würde, war dennoch schwer vorstellbar.

Die liberale Welt

Ich melde mich heute aus Dublin. Hier findet der Kongress der europäischen Liberalen, kurz ALDE statt, wo auch NEOS Mitglied sind. Die irische Hauptstadt sieht deutlich anders aus als in den 1980er Jahren, als ich als ORF Reporter hier war. Im ehemaligen industriellen Hafenviertel glänzen moderne Gebäude, nur die klassischen Pubs wirken heimisch. Die US-amerikanischen Konzerne fühlen sich steuerlich wohl hier, aus den USA und vielen anderen Ländern kommen seit Jahren beachtliche Investitionen, was den Wohlstand der Iren beträchtlich vergrößert hat. Das BIP pro Kopf lag im vergangenen Jahr über 90.000 Euro, also rund doppelt so hoch wie in Österreich. Nur Luxemburg hat in Europa mehr Wohlstand. Aber Irland ist trotz Brexit, oder gerade deshalb, noch näher zu Europa gerückt. Und der Premierminister, oder wie es hier auf gälisch heißt, der Tauiseach, ist ein Liberaler. Micheal Martin ist Vorsitzender der liberalen Partei Fianna Fail.

 

Die Liberalen aus der Ukraine

Bei der ALDE sind aus manchen Ländern mehrere liberale Parteien, seit gestern auch aus der Ukraine. Zuvor war nur die Partei Holos, auf deutsch „Stimme“ dabei. Gestern sind auch die „Diener des Volkes“, die Partei von Präsident Wolodymyr Selenskyi aufgenommen worden. Die Vertreter_innen beider Gruppen betonen, dass es im Moment nur ein „Team Ukraine“ geben kann, obwohl ja Holos in Opposition sind. Ich habe schon in Kyiv Ende Jänner mit Inna Sovsun von Holos gesprochen und hier Kira Rudik von Selenskyis Partei getroffen. Sie haben ein Ziel, neben dem baldigen Ende des Krieges: Den Kandidatenstatus für die Aufnahme in die EU. Das ist nicht nur als Signal an die Bevölkerung der Ukraine und an Putin wichtig. Der Kandidatenstatus wäre auch ein klarer Auftrag an die Regierung, schnell mit Reformen zu beginnen, und diese müssen vor allem die Wirtschaft und den Rechtsstaat betreffen. Das ist allen Gesprächspartnern hier klar. Erschreckend aber bleiben die Berichte aus der Ukraine über die vielen Kriegsverbrechen. Über 100.000 Kinder wurden entführt, und im russischen Fernsehen wird jeden Tag darüber gesprochen, dass das ukrainische Volk kein Recht auf Leben hat, weil es gar nicht existiere. Und es werden weitere schlimme Angriffe angekündigt. Die Ukraine braucht mehr Waffen. Der Krieg in Europa wäre nicht dadurch zu Ende, dass die Ukraine sich ergibt. 

 

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