Eine Umarmung als Zeichen
Dem französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron hat man ja eine gewisse Skepsis gegenüber der Ukraine nachgesagt. Aber er zeigte seinem Kollegen gleich bei der Ankunft in Kiew, dass er für den Kandidatenstatus eintreten werde - durch eine heftige Umarmung. Körpersprache kann sehr aussagekräftig sein. Auch die von Bundeskanzler Olaf Scholz war es. Er hatte sich lange gegen diese Reise gewehrt, und grüßte ebenso höflich wie distanziert mit einem Handschlag. Deutschland wird sich dem Kandidatenstatus nicht entgegenstellen, bleibt aber bei Waffenlieferungen zurückhaltend, die im Moment freilich viel wichtiger wären. Dabei müsste doch auch Scholz sehen, dass er einem Kriegsdiktator wie Putin nicht durch Verhandlungen überzeugen wird. Sollten die Russen den kompletten Donbass einnehmen, wird das nur zu einer Pause führen, damit sich die eher schwache russische Armee neu formieren kann.
Eine Attacke auf Moldau
Die martialischen Worte im russischen Staatsfernsehen werden inzwischen noch brutaler. Man befinde sich mit der NATO bereits im Krieg, lautet ein häufiges Narrativ. Russland müsse sich auf Attacken durch den Westen vorbereiten. Dem Volk wird Angst gemacht, damit es die Auswirkungen der Sanktionen weiter akzeptiert, da ist sogar manchmal schon von „Krieg“ die Rede, obwohl das Wort offiziell verboten ist. Für Putin sind die westlichen Sanktionen ein „Blitzkrieg“. Dass die Russen Anspruch auf ganz Osteuropa erheben haben wir am gestrigen Freitag sofort erlebt, als die EU Kommission auch eine Empfehlung für den Kandidatenstatus der Republik Moldau verkündete. Außenminister Lawrow erklärte, die EU wolle die Republik Moldau in eine zweite Ukraine verwandeln. Und indirekt drohte Lawrow, einen Rabatt für Gaslieferungen auslaufen zu lassen. Staatspräsidentin Maia Sandu konterte ganz ruhig, ihr Land zahle an Gazprom hohe Summen. Aber dass die Russen mit ihrem Gas den Westen weiter erpressen, haben wir auch gestern wieder gesehen. Gerade Richtung Frankreich und Italien wurden die Gaslieferungen gestoppt, als Macron und Ministerpräsident Draghi in Kiew waren. Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck hat inzwischen die Bevölkerung aufmerksam gemacht, dass Energie gespart werden solle, obwohl er intensiv daran arbeite, mehr Flüssiggas ins Land zu bekommen. Die österreichische Regierung erklärt nur, wir hätten kein Problem. Wenn das nur stimmt...
Besuche bei Freunden
Das österreichische Parlament pflegt mit vielen anderen Volksvertretungen einen freundschaftlichen Kontakt. Mich hat wohl der Zufall zum Obmann der Freundschaftsgruppe mit der Republik Moldau und der Ukraine gemacht. Delegationen beider Parlamente haben uns bereits besucht, kommende Woche wird eine Delegation nach Chisinau fliegen. Wir werden zur Grenze nach Transnistrien reisen, eine Aufnahmestelle der österreichischen Concordia für Vertriebene besuchen, und auch österreichische Unternehmen. Außerdem sind Gespräche mit der politischen Führung geplant. Etwas komplizierter wird eine Reise in die Ukraine in der darauffolgenden Woche. Damit wir nicht mit leeren Händen kommen bereiten wir einen Transport medizinischer Güter vor.
Und weil manche besonders Gescheite sagen, diese Reisen wären sinnlos: Ich weiß aus meinen vielen Kontakten mit ukrainischen Abgeordneten, dass jeder Kontakt und jede Unterstützung sehr willkommen ist. Und an dieser Stelle auch ein herzlicher Dank an die diplomatischen Vertretungen in diesen Ländern: Die Botschafterin in Chisinau, Stella Avalone und der Botschafter in Kyiv Arad Benkö leisten in diesen Tagen und Wochen mit ihren - im Vergleich zu anderen Ländern kleinen - Teams wirklich Großes!
Vorbild Stalin
Putin hat sein Land längerfristig auf diesen Krieg vorbereitet. Indem er und seine Leute immer wieder darauf hingewiesen haben, dass die Ukraine keine Existenzberechtigung hätte, indem Bedrohungsszenarien gezeichnet wurden, aber auch durch eine Verherrlichung Stalins und seiner Methoden. Der ukrainische Parlamentspräsident Ruslan Stefantschuk hat in seiner Rede im Parlament auf das Trauma des Holodomor hingewiesen, als Stalin 1932/33 die ukrainische Landwirtschaft und alle Bauernfamilien zerstörte. Stefantschuk betonte aber auch, dass sein Land auch bei der Verfolgung von Kriegsverbrechen auf den Rechtsstaat setzen werde, ein wichtiger Punkt, wenn sein Land in die EU will. Und beim Mittagessen fragte ich ihn noch, woher sein Vorname Ruslan komme? Er gab mir freundlich ein Stück Nachhilfe in Literaturgeschichte: Seine Eltern nannten ihn so nach einem Gedicht von Alexander Puschkin: „Ruslan und Ljudmilla“. Michael Glinka hat dazu eine Oper geschrieben. Ruslan ist ein Held, der um seine Braut Ljudmilla kämpft.