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Populismus zerstört unser Europa


Wie zu erwarten, war der gestrige EU-Gipfel ein Schlag ins Wasser, eine Einigung blieb aus. Der Nationalismus lugt wieder überall hervor, als ob es das 20. Jahrhundert nicht gegeben hätte. Bildungsnotstand, auch in den höchsten Regierungskreisen, und nicht nur in Österreich.

Populismus zerstört Europa


Es war ein "rassistisch motivierter Terroranschlag“, sagte der deutsche Innenminister Horst Seehofer gestern ganz klar, der "dritte rechtsterroristische Anschlag" in wenigen Monaten: "Die Gefährdungslage durch rechtsextremen Terror ist sehr hoch. Es gibt rund 24.000 Rechtsextreme, die Hälfte davon ist gewaltbereit."

Am 2. Juni 2019 wurde der Regierungspräsident von Kassel, Walter Lübcke vor seinem Haus erschossen. Stephan Ernst hat dazu ein Geständnis abgelegt, später aber mit einem neuen Anwalt widerrufen. Nun beschuldigt er einen Komplizen, die Tatwaffe aber gehörte Ernst und es war er, der sie auch vergraben hatte. Am 9. Oktober 2019 , dem jüdischen Feiertag Jom Kippur, wollte Stephan Balliet ein Massaker in der Synagoge von Halle durchführen, er tötete vor dem Gotteshaus zwei Menschen, flüchtete und wurde schließlich festgenommen. Und nun Hanau, eine hessische Stadt, die vor vielen Jahren wegen Unternehmen im Bereich der Nuklearenergie bundesweit in den Schlagzeilen war. 10 Menschen hat Tobias R. ermordet, nach den Attacken in den Shisha Bars hat er dann auch seine eigene Mutter getötet.
 

Der Täter von Hanau soll auffällig gewesen sein, weil er immer wieder Beschwerdebriefe an Behörden schrieb, vielleicht war er auch psychisch krank. Aber wie die anderen Attentäter auch war er von den Rechtsextremen aufgehetzt, die mit Worten spielen und dabei wohl in Kauf nehmen, dass andere ihre Fantasien umsetzen. Es ist das rassistische Weltbild, das in Deutschland Identitäre und AfD verbreiten, das von „Umvolkung“ und „Bevölkerungsaustausch“ spricht, den es zu stoppen gelte. Formulierungen, die bei uns auch FPÖ-Politiker verwendet haben.

Führende AfD-Politiker gehen immer noch ein Stück weiter. Alexander Gauland rief einmal :“Wir werden Angela Merkel jagen.“ Björn Höcke spielt gerne mit dem Bild vom Wolf und den Schafen. In seinen Kreisen ist das eine klare Anspielung auf einen Artikel von Joseph Goebbels im Jahr 1928: „Wie der Wolf in die Schafsherde einbricht, so kommen wir“, so Goebbels, als er damals die Taktik der Nazis erklärte: „Wir gehen in den Reichstag hinein, um uns im Waffensaal der Demokratie mit deren eigenen Waffen zu versorgen.“ Dann machte er sich lustig darüber, dass der verachtete Staat diejenigen finanzieren wird, die die Demokratie bekämpfen. So war es dann auch.
 

„Der Rechtsextremismus ist die größte Sicherheitsbedrohung in Deutschland“ sagt Seehofer und berichtet uns von Verhaftungen und dem Sicherstellen von Waffenlagern. Sprengstoff und automatische Waffen würden immer und immer wieder gefunden. Sensible Einrichtungen wie Moscheen, Bahnhöfe oder Flughäfen sollen jetzt stärker überwacht werden.

Rechtsextreme Gefährder und bürgerliche Gefährdete

Generalbundesanwalt Peter Frank sieht im Moment die größte Gefahr darin, dass rechtsextremes Gedankengut bereits in bürgerliche Kreise eingedrungen ist, dass die Erzählung vom „überlegenen deutschen Volk“ und weniger wertvollen Menschen mehr Rückhalt bekommen könnte. Das ist in der Tat gefährlich. Hier müssen wir ansetzen. Leider hat auch bei uns die Abwertung von Flüchtlingen, etwa als „Höhlenmenschen“, auf FPÖ-Seiten des Internets Einzug genommen. Und Sebastian Kurz hat mit der FPÖ klaglos weiter regiert, als ein blauer Funktionär Menschen mit Ratten verglich, so wie das die Nazis schon getan haben. Gestern war besonders auffällig, dass der christlich-soziale Seehofer klar über die Gefahren des rechten Terrors sprach, während Innenminister Karl Nehammer von der neuen ÖVP das ausdrücklich nicht wollte. Die Regierungsroute zur FPÖ soll also offen bleiben.

Die AfD gefährdet die FDGO

Zunächst wird der Hass in Worten ausgedrückt, dann wird abgedrückt. Die hässlichen Worte werden heute extrem schnell und radikal über das Internet verbreitet. Verbunden mit Verschwörungstheorien aller Art. So werden Menschen aufgehetzt. Die Hetzer bleiben zum Teil im Hintergrund, zum Teil gehen sie in die Parlamente, wie das schon die Nazis taten. Da müssen wir sehr klar sein, und wenn sich die FPÖ nicht endlich von ihrer Kooperation mit der AfD distanziert, nicht nur im Europäischen Parlament, dann gehört sie eben auch zu jenen, die Gewalt nur vordergründig ablehnen. Es geht um die freiheitlich-demokratische Grundordnung (FDGO), ein Begriff, der schon in den 1970er-Jahren aus Anlass der Terroranschläge der Rote Armee Fraktion bemüht wurde. Ob sich die AfD wirklich zu dieser bekennt, wird immer fraglicher, auch für den deutschen Verfassungsschutz. Die AfD zu beobachten, das mag notwendig sein, aber das Wichtigste ist, dass die demokratischen Politiker_innen einstimmig und überall die Vorteile unseres Systems erklären, gerade auch den Jungen. Und aufzeigen, wohin der Hass führt.

Rot-weiß-roter Populismus in Brüssel

Demokratie, das ist vor allem auch die europäische Demokratie, die in der Union gut aufgehoben sein soll. Da wird dann auch einmal über Geld gestritten, wie seit Donnerstag in Brüssel, aber solche Mechanismen gibt es bei den Verhandlungen um den Finanzausgleich auch. Bedenklich wird es, wenn mit falschen Zahlen und verwirrenden Begriffen argumentiert wird. Österreich fühlt sich plötzlich wohl unter den „frugalen 4“. Komisch, wo Sebastian Kurz zu Hause nicht so erfolgreich beim Sparen war, wie ein Blick auf die Österreichischen Krankenkassen zeigt. Von der Patientenmilliarde weit und breit keine Spur. Und Ausgaben, die der ÖVP aus politischen Gründen wichtig sind, werden eben aus dem Bundesbudget bedeckt werden. Konkret: Wenn die Agrarförderungen aus Brüssel gekürzt werden, wird sie der Finanzminister aus Wien bestreiten.

Ausschuss bewusst falsch informiert

Ganz tief in die stets geöffnete Populismuskiste hat Kurz im Zusammenhang mit den Verwaltungskosten gegriffen. Die betragen rund sechs Prozent des EU -Budgets. Und sollen nur um die Inflationsrate wachsen. Dennoch erzählte Kurz im EU-Hauptausschuss des Nationalrats, dass diese um 20 Prozent steigen würden. Die Kommission würde hier mit Tricks arbeiten, so Kurz wenig staatsmännisch. Wie wir aus Brüssel hören, hat man Kurz aber schon die Details erklärt, er wusste, dass die 20 Prozent nicht stimmen, aber die Populismuskiste ist halt seines. „Uneuropäisch“ nannte auch schon Vizekanzler Kogler den Kanzler.

Das Schlimme an einem zu kleinen EU-Budget ist ja, dass wieder am falschen Ort gespart werden wird. Dringend nötig ist mehr Geld für Forschungsprojekte. „Die USA und China sind uns in der Künstlichen Intelligenz schon weit überlegen, und wir streiten über Punkte hinter der Kommastelle“, meinte Emmanuel Macron bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Dort fiel übrigens besonders auf, dass viele Teilnehmer_innen aus aller Welt interessante Thesen zur Sicherheitslage des Planeten formulierten, während Kurz nur seine Sprüche aus dem Wahlkampf recycelte. Österreichs Stärke liegt in der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU, doch dazu gibt es vom Bundeskanzler nur Lippenbekenntnisse. Über diesen traurigen und peinlichen Umstand habe ich diese Woche übrigens einen Kommentar im Standard geschrieben.

Wie zu erwarten, war der gestrige Gipfel ein Schlag ins Wasser, eine Einigung blieb aus. Das nächste Mal werden es dann wohl 1,04 Prozent werden. Der Nationalismus lugt wieder überall hervor, als ob es das 20. Jahrhundert nicht gegeben hätte. Bildungsnotstand überall, auch in höchsten Regierungskreisen, nicht nur in Österreich.

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