Das letzte Mal mit einer neuen Aufgabe betraut wurde ich im Sommer 2010, da kam ich als Chefredakteur zum Kurier. Zur Vorbereitung gehörte ein Gespräch mit Hugo Portisch. Wir haben uns in der Toskana getroffen und er hat mir vieles aus seinem Journalistenleben mitgegeben. Wir haben darüber geredet, was die Aufgabe einer Zeitung ist.
Portisch: “Die Würde des Menschen ist unantastbar. Wo immer die Würde des Menschen in Frage gestellt wird, muss man auf die Barrikaden gehen. Der Kampf gegen Ungerechtigkeit, gegen Vorurteile, gegen Neidgenossenschaften, gegen Angstmacherei, das ist die Hauptaufgabe einer Zeitung.“
Ich habe mit Hugo Portisch auch über den Begriff der Wahrheit gesprochen. Und wir waren uns einig, niemand dürfe den Anspruch erheben, immer die Wahrheit zu besitzen, die Suche nach der Wahrheit ist unsere Aufgabe.
Das führt mich zur Vorbereitung auf den neuen Beruf, auf die Politik. Was läge da näher als Hannah Arendts berühmten Essay wieder zu lesen: „Wahrheit und Lüge in der Politik.“ Ich weiß, das Wort „Lüge“ ist im Nationalrat verboten. Aber das ist ein Zitat, wie ich betone. In dem Aufsatz kommt gleich zu Beginn der Satz :“Lügen scheint zum Handwerk nicht nur des Demagogen, sondern auch des Politikers und auch des Staatsmanns zu gehören.“
Aber es wäre nicht Hannah Arendt, würde sie es sich leicht machen. Sie erläutert mit Hilfe der gesamten Geistesgeschichte seit den griechischen Philosophen, wie schwer sich Menschen mit Erkenntnis tun. Sie spricht von den „Tyrannischen Neigungen professioneller Wahrheitssager.“ Und Arendt kommt auch zu Kant, der sagte: "Wenn man den Menschen die Möglichkeit ihre Gedanken öffentlich mitzuteilen entreißt, dann nimmt man ihnen auch die Freiheit zu denken."
Ich weiß, wir leben im Zeitalter der Emotionen, die Bilder und schnellen Sager in den den Sozialen Medien. Viele Politiker wollen nebenbei auch noch Journalisten sein, die öffentliche Meinung kontrollieren. Ich hoffe, es wird nicht das Zeitalter der verdrängten Vernunft.
Wenn die Politik die Emotionen auch noch verstärkt, wenn sie bewusst mit der Angst der Menschen spielt, dann bereitet die den Weg in den autoritären Staat vor. Und genau das haben wir in diesen 17 Monaten der Regierung Kurz-Kickl erlebt. Dazu Druck auf unabhängige Journalisten und Medien, massiver persönlicher Druck, nur um die eigene - angebliche - Wahrheit zu verbreiten.
Dagegen aufzutreten, das war meine Motivation, doch noch politisch aktiv zu werden. Diese Überzeugungen haben mich mein Leben lang begleitet und nun hierher gebracht: Gegen autoritäre Tendenzen, für Freiheit; gegen Kontrolle des Journalismus, für die Förderung von Qualitätsmedien; gegen Respektlosigkeit gegenüber Menschen, die vielleicht etwas anders aussehen oder eine andere Religion haben, und für die Wahrung der Würde der Menschen, aller Menschen.
Ich bin sehr froh, dass ich mit den NEOS eine Gruppierung gefundene habe, die diese Überzeugungen mit mir teilen. Und ich werde auch auf die Umwertung der Werte achten. Viktor Orban, den manche in diesem Haus zum Vorbild haben, preist das Christentum, aber gleichzeitig grenzt er Menschen aus. Für mich steht das Christentum für das Zusammenführen, nicht für das Ausgrenzen, für soziale Gemeinsamkeiten und nicht für das gegenseitige Abschotten.
Vielleicht können wir unsere Emotionen, die in der Politik so wichtig geworden sind, auch für etwas Positives einsetzen. Für unsere gemeinsame Heimat Europa, die uns den Frieden in Europa sichern, den meine Eltern und Großeltern und alle Generationen davor nicht ihr ganzes Leben lang genießen durften.
Der Frieden ist nicht garantiert, dafür haben wir etwas zu tun, ganz konkret etwa am Balkan. Wolfgang Sobotka als Präsident des Nationalrats und Doris Bures als Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses haben Verständnis für Albanien Nordmazedonien gezeigt. Gerade nach der Verschiebung von Gesprächen mit der EU sollten wir hier im Nationalrat die Lage am Westbalkan ernst nehmen. Ich hoffe auf konstruktive Debatten hier im Hohen Haus.
Ein offenes, rechtsstaatliches Österreich in einem Vereinten Europa, das ist mein Ziel. Ich freue mich über alle, die dieses hier mit mir teilen.
- Ende des Trankskripts -
Und noch eine Bemerkung zum Schluss: Wir schwierig das mit der Message Control ist, habe ich am vergangenen Donnerstag gemerkt. ÖVP und Grüne haben uns ja mehrfach erklärt, sie müssten jetzt ganz lange „sondieren“. Dabei ging es nur um die steirischen Landtagswahlen, vor denen sich beide Parteien nicht festlegen wollten. Das habe ich auch so bei einer Diskussion des Club Carinthia gesagt. Die Kollegen Wolfgang Gerstl (ÖVP) und Sigi Maurer (Grüne) widersprachen heftig. Es ginge gar nicht um Taktik. Am Freitag dann hieß es, es werde nur mehr bis zum 8. November sondiert. Also alles anders.
Die NEOS haben auch hier gezeigt, dass es ihnen nicht um Taktiererei geht, sondern um Reformen. Die wurden klar definiert, von der Bildung über die Bürokratie bis zur Entlastung. Darüber kann gerne verhandelt werden, aber ernsthaft, nicht mit taktischer Verzögerung.
Ihr Helmut Brandstätter
© Parlamentsdirektion / Johannes Zinner