Darf‘s ein bissl weniger sein?
Ein Trick wird ja seit längerem angewendet, von Waschmitteln bis zu Süßigkeiten: Das Produkt wird zwar nicht kleiner, aber der Inhalt. Und damit wird es teurer. Im Moment versuchen Regierungen überall in Europa, durch Senkung der Umsatzsteuer oder einer anderen Steuer, die Preise zu beherrschen. Wie schnell das schief geht erlebt die Berliner Regierung. Sie wollte durch Senkung einer Energiesteuer den Preis für Diesel und Benzin senken. Das funktionierte gerade ein Mal ein paar Stunden, dann stiegen die Preise wieder. Mineralölkonzerne profitierten davon, nicht die Autofahrer_innen. Deshalb ist eine generelle Mehrwertsteuersenkung auch wenig sinnvoll. Vielmehr müssen diejenigen unterstützt werden, die von der Inflation am meisten betroffen sind. Die Regierung schielt mit dem einen Auge auf Umfragen, unter besonderer Berücksichtigung der noch verbliebenen Wählergruppen, und mit dem anderen auf das Budget. Wie der Kompromiss aussieht werden wir ja erleben.
Der ukrainische Bär
Äußerlich sieht der Mann aus wie ein Kampfsportler, gekleidet ist er wie ein Soldat, aber sein beruflicher Hintergrund ist das Staatsrecht, er war auch Vizerektor für Forschung. Ruslan Stefantschuk ist aber seit 2019 Präsident der Werchowna Rada, des ukrainischen Parlaments. Als Vertrauter von Präsident Wolodymyr Selenskyi reist er im Moment durch Europa, um für den EU-Kandidatenstatus der Ukraine zu werben. Zuletzt war er in Berlin und beim Europäischen Parlament. Am kommenden Dienstag wird er das Parlament in Wien besuchen. Stefantschuk wird eine „Rede an die Abgeordneten des Nationalrats im Rahmen einer Veranstaltung vor Beginn der Nationalratssitzung“ halten. Alles klar? So lebt unsere Neutralität! Der Präsident darf nicht im Rahmen einer Nationalratssitzung sprechen, weil das die FPÖ nicht will. Hoffentlich kriegen das die TV-Zuseher in der Ukraine nicht mit, sie würden sich schön wundern, wer und wie ihre Freunde sind.
Kandidat- oder Fitnessraum?
Der Kandidatenstatus wird oft falsch verstanden. Da geht es nicht um die sofortige Aufnahme der Ukraine, vielmehr um den Beginn eines Prozesses, der nicht einfach wird. Aber Gesprächspartner_innen aus der Ukraine, zuletzt auch in Dublin, bestätigen mir, dass sie ja Reformen in ihrem Land durchführen wollen, sobald der Krieg vorbei ist. Und der Kandidatenstatus würde da durchaus einen positiven Druck auf notwendige Reformen bedeuten, vor allem im Bereich Wirtschaft und Rechtsstaat. Noch ist nicht klar, wie die Staats- und Regierungschefs entscheiden werden. Im deutschen Fernsehen meinte der Politologe Kai Olaf Lang, es müsse einen Zwischenstatus geben. Dieser müsse aber ein Fitnessraum sein, keine Abstellkammer. Die Ukraine hat im Zug der Gespräche über eine Assoziierung schon einen Teil des Acquis communitaire übernommen. Das ist der Rechtsbestand der EU.