Erdogans Wandlung
Die Titelseite des SPIEGEL dieser Woche war schon schwieriger zu verstehen. „DER UNBESIEGBARE“ stand da auf einem Foto, das Erdogan auf einem goldenen Thron zeigt, wobei dieser ebenso bröckelt wie die Schrift. Aus dem „Mann des Volkes“, wie er sich noch immer gerne nennt und aus dem Reformer mit Gefühl für die Probleme seines Landes ist ein Autokrat geworden, der seinem wenig begabten Schwiegersohn die Finanzen der Türkei anvertraute, während er die Lira entwertete und die Inflation ankurbelte, im Vorjahr 86 Prozent und jetzt über 40 Prozent, und das sind nur die offiziellen Zahlen. Die Unfähigkeit der Staatsführung nach dem Erdbeben hat den Menschen auch - wieder - gezeigt , dass starke Männer oft nur ein ebensolches Ego haben, das mit zunehmendem Alter auch noch größer wird. Beispiele dafür gibt es viele, die Lernfähigkeit der jeweiligen Bevölkerung ist manchmal etwas verzögert.
Die Türkei ist mehr als eine regionale Macht. In der NATO kann sie blockieren, am Balkan versucht sie mitzuspielen und in Westeuropa gibt es viele Türkinnen und Türken, die sich mit der alten Heimat stärker verbunden fühlen als mit der neuen. Was nicht immer nur an ihnen liegt. Aber Erdogan hat das immer ausgenutzt, um Stimmung zu machen und Wählerstimmen zu holen. Nicht immer mit legalen Mitteln. Österreich ist ja ohnehin ein Paradies für Spione, auch für türkische.
Autokratie auf dem Vormarsch
Die Strahlkraft dieser „starken Männer“ lässt zwar regelmäßig nach, während im gleichen Maß die Korruption zunimmt. Aber immer wieder haben sie Erfolg für sich persönlich. Und dieser Erfolg soll auch uns in den liberalen Demokratien beeindrucken. Deshalb machte auch Erdogans AKP in westeuropäischen Ländern Wahlkampf. Um ihn zu stärken, aber auch um seinen Nationalismus hier zu verstärken. Kickl und Erdogan sind Antipoden. Derselbe Kickl, der Sanktionen gegen Putin schlecht findet, wollte genau solche Sanktionen gegen Erdogan. Aber in ihrem übersteigerten Nationalismus treffen sie sich, und in der Unsinnigkeit ihrer wirtschaftlichen Vorstellungen. Erdogan dachte, er könne mit seiner Nationalbank die Währung seines Landes gegen jede Logik steuern, Kickl will Österreich gegen die EU mobilisieren. Das Opfer sind dann immer die „kleinen Leute“, für die die Autokraten angeblich sind, während sie nur an sich denken.
Der schwache Putin
Russland feiert am 9. Mai regelmäßig den Sieg der Sowjettruppen über Nazi-Deutschland. Mit Grund. Der Blutzoll der sowjetischen Soldaten und der Zivilbevölkerung war hoch, wobei Hitler den Krieg gegen Polen erst begonnen hat, nachdem er sich mit Stalin einig war, wie die Beute aufgeteilt wurde. Und Stalin hat Hitler auch beim Angriff auf Frankreich geholfen. Das erzählen die russischen Politiker wie Putin natürlich nicht, er selbst hat ja zu seiner Rehabilitierung beigetragen. Putin erzählt auch nicht, dass Stalin schon davor in der Ukraine Millionen Menschen in den Hungertod getrieben hat - der Holodomor. In diesem Jahr sprach Putin nur kurz und besonders verlogen. Wie Hitler 1939 stellte er sich als Opfer eines Angriffs dar. Der Westen und die Nazis hätten Russland angegriffen. Er würde nur „zurückschießen." Putin muss wissen, dass sein Krieg gegen die Ukraine ein riesiger Fehler war, und dass das auch die russische Bevölkerung einmal verstehen wird. Was er bis dahin machen wird, ist offen. Und wird auch vom Krieg und dem Gegenangriff der Ukraine abhängen.