Kooperative Neutralität
Beate Meinl-Reisinger argumentierte, dass wir weiter auf der Seite des überfallenen Staates stehen müssen. Und sie sprach auch die Sicherheit Österreichs an. Nein, dieser Sicherheit wird nicht durch die Neutralität garantiert. Die Neutralität, die im Zuge der Verhandlungen zum Staatsvertrag ja durchaus umstritten war, hat wesentlich zur Identität unseres Landes beigetragen. Deshalb kann man sie nicht einfach abschaffen. Aber wir brauchen eine Diskussion, wie es sie in der Schweiz gibt: Dort wird eine „kooperative Neutralität“ angesprochen. Damit ist gemeint, dass die Schweiz neutral bleiben will, ihre Verteidigung verbessert, aber gleichzeitig sich um Freunde umschaut, die der Schweiz im Zweifel helfen würden. In der Schweiz ist man sich über alle Parteigrenzen hinweg einig, dass die Neutralität alleine nicht die Sicherheit gewährleistet.
Nehammer enttäuschend
Leider hat Bundeskanzler Karl Nehammer in seiner Wortmeldung über 10 Minuten gebraucht, um den Angriffskrieg Putins zu verurteilen. Eine klare Ansage, dass Putin ein Kriegsverbrecher ist, gab es gar nicht. Zunächst bezog sich der Bundeskanzler auf die Neutralität, und dass diese nicht zur Diskussion stünde. Dabei war es der ÖVP-Abgeordnete Ofenauer, der im März 2022 meinte, man müsse über die Neutralität und deren Ausgestaltung sprechen. Vor allem hätte die Verurteilung des russischen Angriffskriegs durch den Bundeskanzler deutlicher ausfallen müssen.
Und natürlich stimmt die Regierung, pardon stimmen die Regierungsfraktionen immer gegen Anträge der Opposition. Also auch gegen den Antrag, dass die Regierung eine neue Sicherheitsstrategie vorlegen müsse. Und das, obwohl auch der Bundeskanzler eingestand, dass die aktuelle aus 2013 überholt ist. Putins Russland muss als Gefahr für unsere Sicherheit benannt werden. Immerhin gab mir der Bundeskanzler recht, dass wir der Ukraine Geräte zum Aufspüren von Minen liefern müssen. Diese sind extrem wichtig für den Schutz der Bevölkerung.
Kickl unerträglich
Das aufhetzende Geschrei von Kickl aber ist inzwischen nur mehr schwer zu ertragen. Er wird immer lauter und bösartiger . Als er dann noch die eindeutige Schuld Putins am Angriffskrieg bestritt musste ich einen Zwischenruf loswerden, dass ja auch Hitler so argumentiert hat. Ich habe nicht Kickl mit Hitler verglichen, aber die Argumentation: Der Täter wird zum Opfer gemacht. So wie Hitler erklärte, dass ab 5 Uhr 45 zurückgeschossen werde, hat sich ja auch Putin zum Opfer eines Angriffs aus dem Westen erklärt. Und Kickl hat einfach Putins Propaganda verbreitet, wie er das schon lange macht. So wie im Vertrag der FPÖ mit Putins Partei steht, dass die beiden Parteien die Jugend im patriotischen Sinne erziehen sollten. Wie es auch in der Sowjetunion formuliert war.
Opfer und Traumata
Ich gebe gerne zu, dass ich Emotionen spüre, wenn ich über den Krieg in der Ukraine spreche. Ich habe die Massengräber in Butscha und zerstörte Schulen in Charkiv gesehen und sehr viel mit den Opfern der Kriegsverbrechen gesprochen. Und ich war auch am Freitagabend wieder gerührt, als ich zunächst bei einer Veranstaltung junger Ukrainer am Stephansplatz war, wo die zerstörten Häuser gezeigt und der Bombenterror nachgespielt wurde . Dann gab es eine Kundgebung vor dem Parlament, wo ich ebenfalls sprechen durfte und neue Schicksale von Flucht und Vertreibung gehört habe. Ein Treffen mit der Chefin der belarussischen Demokratiebewegung Swiatlana Tichanowskaja hat mich auch bewegt. Zuvor gab es auch Andachten in der Barbara Kirche der Ukrainer und der griechisch-orthodoxen Kirche am Fleischmarkt. Besinnliche Minuten taten gestern besonders gut.