Die Zeiten, in denen nur an die Kraft der Männer appelliert wurde, ist auch in Tirol vorbei. Dort ist die politische Landschaft nicht mehr zu erkennen. Ich war ja selbst beim Wahlkampf in Tirol und es war interessant, wie viele Leute mir sagten, dass sie ja grundsätzlich nichts gegen die ÖVP hätten, aber deren Macht schon viel zu lange dauert.
Dass die ÖVP die absolute Mehrheit im Landtag erhält, schien über viele Jahrzehnte Teil der Landesverfassung zu sein, auch als Bruno Kreisky in den 1970er Jahren mit Absoluter in Österreich regierte. Da gab es noch den legendären Eduard Wallnöfer, aber es dauerte bis 2008, dass die ÖVP die Allmacht auf Dauer verlor. Und das auch nur, weil sich innerhalb der Partei Widerstand geregt hatte: Fritz Dinkhauser, wortgewaltiger Präsident der Tiroler Arbeiterkammer konnte nicht mehr mit seiner ÖVP, gründete die Liste Fritz - es sind ja alle per Du in Tirol - und zog mit 7 Mandaten in den Landtag ein, weit stärker als FPÖ und Grüne.
Und diesmal ist es wieder die Liste Fritz, die nach den Umfragen am meisten von der Schwäche der ÖVP profitieren wird, inzwischen ohne Dinkhauser, mit Spitzenkandidatin Andrea Haselwanter-Schneider. Aber auch die NEOS werden zulegen. Dominik Oberhofer hat es vor 5 Jahren in den Landtag geschafft und dort konsequente Oppositionspolitik gezeigt. Der Hotelier aus Stubai aber kennt auch die Sorgen und Nöte eines Betriebes. Und als langjähriger Sprecher der Pan-Europabewegung weiß er, wo die Zukunft seiner Region ist: in einem friedlichen und offenen Europa. Mit stärkeren Neos will er nicht nur in den Landtag, sondern auch in die Landesregierung. Alles Gute!
Die ÖVP zittert
Das hätte sich früher auch niemand vorstellen können: Die Bundes ÖVP muss einem Wahlergebnis in Tirol entgegenzittern. Ob es nun die 27 Prozent werden, die zuletzt prognostiziert wurden oder doch ein Dreier vor dem Ergebnis steht - es wird ein enormer Verlust an Stimmen und Mandaten, aber auch an Prestige und Selbstsicherheit. Mit Auswirkungen auf den Bund. Die Ursachen sind vielfältig. Zu Beginn der Pandemie glaubte das Land, die Vorfälle rund um Ischgl bagatellisieren zu können. Dann kam viel Überheblichkeit dazu, was eigentlich nicht zu dem eher bodenständigen Günter Platter passt. Und apropos Platter: Es kann auch niemand verstehen, wie sich ein Landeshauptmann zu Beginn eines Wahlkampfs zurückziehen kann. Das hätte er vor einem Jahr machen müssen, oder nach der Wahl. Aber da sind wir wieder bei innerparteilichen Vorfällen. Toni Mattle hätte er vor einem Jahr vielleicht nicht durchgebracht. Die größten Probleme von Parteien finden sich oft in den eigenen Reihen. Jedenfalls wird das Wahlergebnis von ÖVP und Grünen in Tirol zumindest auf die Stimmung in der Bundesregierung Auswirkungen haben.
Italien verändert sich - schon wieder
Am 31. Oktober 1922 wurde Benito Mussolini von König Viktor Emmanuel III. zum Ministerpräsidenten Italiens bestellt. Dem war der „Marsch auf Rom“ vorausgegangen, wo sich Zehntausende seiner faschistischen Anhänger versammelten. Giorgia Meloni könnte 100 Jahre später als Faschistin, aber nach einer demokratischen Wahl Regierungschefin werden. Als erste Frau, mit einer Partei, die sich „Fratelli d‘Italia“ nennt, also eigentlich nur aus Brüdern besteht. Meloni, der Rechtspopulist Matteo Salvini, aber auch die sonderbare Fünfsternebewegung haben alles getan, um den anerkannten Mario Draghi zu stürzen. Jetzt taucht Italien plötzlich in seine Geschichte ein, die ganz offensichtlich nicht aufgearbeitet wurde. Mussolinis Faschismus war ein schreckliches Gewaltregime mit politischen Morden, es gab auch Antisemitismus und diskriminierende Gesetze gegen Juden. Frau Meloni bekennt sich zu ihren faschistischen Wurzeln, sieht sich aber auch als Freundin der USA. Anders als Matteo Salvini und der alte Berlusconi, der mit gestrafftem Gesicht auch noch dabei ist, ist sie keine Anhängerin von Wladimir Putin. In Bezug auf die Ukraine würde sie also im EU-Rat nicht blockieren, sollte sie am Sonntag wirklich gewinnen. Aber die EU müsste sich darauf gefasst machen, dass neben Viktor Orban noch jemand die europäische Gemeinsamkeit stört. Am Sonntagabend wissen wir mehr.
Putin verschärft die Lage - in der Ukraine und in Russland
Der Kriegsdiktator Putin ist in der Defensive. Das ist weitgehend unbestritten. Seine Maßnahmen wirken verzweifelt, sind aber auch gefährlich. Die „Referenden“ in besetzten Gebieten der Ukraine sind absurd. Aber die Konsequenzen sollen Putin neue Möglichkeiten geben. Nach der Annexion dieser Gebiete wird er sagen, er verteidige nur russisches Gebiet. Eine Lüge, aber so wird er es seiner Bevölkerung verkaufen. Da tut er sich im Moment ohnehin schwer, denn die sogenannte Teilmobilmachung geht schon tiefer in die russische Gesellschaft hinein. Man wird zwar weiter versuchen, Männer aus dem Osten zu rekrutieren, die noch nie von der Ukraine etwas hörten. Was die anzurichten imstande sind haben wir bei unserer Reise in Bucha und Irpin gesehen. Angehörige des mongolischen Stammes der Burjaten haben dort in Einfamilienhäuser geschossen sowie Frauen und Kinder massakriert. Und weil Russland zutiefst korrupt ist, werden die Freunde des Kremls zu Hause bleiben dürfen. Der Sohn von Putin-Sprecher Peskow ist einem Anrufer hineingefallen, der ihn zur Musterung bestellte. Peskow junior meinte, das werde er mit seinem Vater klären. So bleibt die Frage, wie schnell der Unmut gegen Putin lauter wird
Sehr klare Worte zum „Referendum“ hat wieder die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock gefunden. Sie sprach von einer weiteren „Kriegsmethode“ Putins. Der Diktator hat bis jetzt auf nette Worte und Verhandlungsangebote nicht reagiert. Also wird der Westen klar und hart bleiben müssen. Auch mit weiteren Sanktionen.
JUNOS Academy Wien
Bei dieser Schulung lernen Jugendliche die politische Arbeit kennen. Solche Schulungen sind vor allem für unsere Demokratie wichtig. Die zukünftige Generation muss lernen, wie Politik gemacht wird und wie sie über ihre Zukunft bestimmt. Die Jungen Neos- JUNOS Wien haben einen guten Mix aus den wichtigsten Zutaten der Politik gemischt. Es freut mich ihnen Einblicke in die Außenpolitik zu gewähren. Man kann sich noch bis Ende der Woche anmelden.
Die Leserreise zu meinem Buch geht nächste Woche weiter: am Donnerstag um 19.00 in der Stadtbibliothek in Dornbirn