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Mehr Schein als Sein

„Herr Peymann kauft sich eine Hose und geht mit mir essen“ war ein kleines Stück von Thomas Bernhard, wo es um Gedanken des Theaterdirektors über das Burgtheater ging. „Herr Kogler ist bei McDonalds einen Hamburger“ ist hingegen ein neuer Tiefpunkt im österreichischen Journalismus, angeregt durch einen ehemaligen Funktionär des BZÖ. Diese FPÖ Abspaltung Haiders hat nicht nur maßlose Korruption hervorgebracht, sondern auch einen Herrn, der in (un)sozialen Medien viel Unsinn verbreitet. Wovon er groß lebt, ist unklar. Nachdem er das Foto von Kogler mit Hamburger verbreitet hat, drängt sich der Verdacht auf, dass er im Sold der neuen Regierung steht. Denn solche Fotos und darauf folgende Debatten nützen nur den Inszenierern, die nicht einmal Brot und Spiele schaffen, sondern nur die permanente Ablenkung von den wesentlichen Themen. Dafür hat Herbert Kickl seine Polizeipferde erfunden und dafür wird jetzt über „Teil-Tauglichkeit“ junger Rekruten gesprochen – alles Ablenkung. Die Zukunftsthemen sollen vergessen werden, von der Unterdotierung der Forschung bis zur Weigerung, eine notwendige Pensionsreform zu beginnen.
 
Oder das Kopftuchverbot: Hier geht es ja auch nicht um eine sinnvolle Lösung, sondern darum, immer wieder eine Debatte aufzuwärmen. Und dann kann man gleich vor dem politischen Islam warnen, und so heftig auf rechte Wähler schielen. Unseriös ja. Aber vor allem soll es nicht auffallen, dass die wichtigen und großen Probleme unserer Schulen wieder nicht angegangen werden.

Umweltministerin Gewessler wiederum braucht jetzt auch einen Generalsekretär. Das haben die Grünen bei der letzten Regierung mit Grund kritisiert, weil es die Arbeit der Beamten behindert statt fördert. Schlimmer aber ist, dass ökologische Teile einer Steuerreform erst irgendwann kommen. Wir werden viele Arbeitskreise bekommen, und viel Show.
 
So versäumen wir wichtige Jahre, aber solange die Umfragen für die Regierung stimmen, wird sie uns weiter mit Fotos beschäftigen und mit Unwichtigem zudröhnen.
 
Apropos Inszenierung: Ja – eine Steuerreform wird kommen, und nein – der neue Finanzminister gibt uns dabei gar nichts. Im Gegenteil: Wir Steuerzahler füllen die Staatskasse immer mehr, auch durch die kalte Progression. Deren Abschaffung haben alle versprochen – dieses Wahlversprechen wird also schon gebrochen. Weil der Finanzminister so tun will, als würde er die Steuern senken. Tut er aber nicht. Er spielt den Gönner, der er nicht ist. Das sind wir alle. Aber für eine kleine Showeinlage reicht es allemal.

Putin strebt nach Unantastbarkeit

Und nun ins Ausland: Wladimir Putin mag es die Öffentlichkeit zu überraschen – insbesondere im Westen – und er versteht sich bestens darin. Zwar verlief die erste Stunde seiner jährlichen Rede zur Lage der Nation diese Woche noch gewöhnlich: Russland sei wieder erstarkt, echte Maßnahmen zur Armutsbekämpfung und mehr Anreize für größere Familien seien bereits auf dem Weg – so weit, so kopiert. Dann aber ließ der mächtige Kreml-Boss plötzlich eine Reihe verfassungsrechtlicher Bomben fallen: strengere Limits für präsidentieller Amtszeiten, mehr Kompetenzen für Duma und Regierungschef. Innerhalb weniger Stunden räumte der ewigtreue Langzeitpremier Dimitri Medwedew sein Büro; die Welt bekam erstmals einen Eindruck davon, wie Russland nach Putins aktiver Präsidentschaft aussehen könnte.

Damit ist jedoch keineswegs Russland nach Wladimir Putin gemeint. Seine jetzige Amtszeit läuft noch bis 2024, und obwohl niemand daran gezweifelt hat, dass der Ex-KGBler sich ungeachtet gesetzlicher Limits im Präsidentenamt halten könnte, muss die eigentliche Frage lauten, ob er das selbst wirklich wollte. Zwar ist sein internationales Image als geopolitischer Strippenzieher in den vergangenen Jahren immer stärker geworden, aber die Herausforderungen daheim bekommt Putin nicht mehr in den Griff: wirtschaftliche Turbulenzen, stagnierende Löhne, eine äußerst unpopuläre Pensionsreform, demographischer Rückgang…die Liste ließe sich wohl ewig weiterführen.

Nun findet er sich in jener Enge wieder, in die sich viele autoritäre Alpha-Männchen und Mafia-Paten rund um den Globus manövriert haben: Wenn dein eigener Wohlstand, dein Status und allem voran deine Sicherheit ausschließlich von deiner Position im System abhängen, wie bitte sollst du dann von dieser zurücktreten können?

Für sich versucht Putin die Antwort in der Erschaffung einer „Vater der Nation“-Rolle zu finden, die es ihm ermöglichen soll, politisch zu intervenieren, wenn er seine Interessen in Gefahr sieht, ohne dabei lästige Regierungsverantwortung übernehmen zu müssen. Warum aber muss er dafür das Präsidentenamt schwächen? Über die Jahre hat er ein hyper-präsidentielles System aufgebaut, in dem nahezu alle Macht bei ihm im Kreml konzentriert ist. Einen potenten Nachfolger kann er sich da nicht leisten. Also hat er einen Teil seiner Kompetenzen auf den Premierminister übertragen und das Parlament, anstelle seiner selbst, für die Wahl der Regierung zuständig gemacht.
Zudem wird nun der Staatsrat, der aus von ihm persönlich ausgesuchten regionalen Gouverneure besteht und bis dato eine rein beratende Funktion hatte, von Grund auf umstrukturiert und gestärkt. Er unterliegt keinerlei verfassungsrechtlicher Amtszeitbegrenzung und Putin selbst hält den Vorsitz, ob Präsident oder nicht.

Doch wem sollte der ehemalige Agent dann die Präsidentschaft anvertrauen? Selbst in der neuen, geschwächten Form ist diese Position eine extrem machtvolle. Putin weiß das, unter anderem daher hat er den weitgehend unbekannten Spitzenbeamten Michail Mischustin zum neuen Premierminister gemacht. Er ist ein kompetenter Manager, aber keineswegs eine Gefahr für Putin. Ganz im Gegenteil: Mischustin ist gehörig und absolut nicht kontroversiell, ein perfekter Nachfolger für Medwedew.

Die meisten der vorgeschlagenen Änderungen sind vage. Ein besonders pikanter Vorschlag Putins beinhaltet die Voraussetzung, dass Präsidentschaftskandidaten seit mindestens 25 Jahren ihren Wohnsitz in Russland haben müssen und jeder, der einmal im Ausland einen Wohnsitz angemeldet hat, automatisch sein aktives Wahlrecht verliert. Diese Maßnahme zielt zweifelsohne darauf ab, die Opposition im Ausland von politischen Prozessen im russischen Mutterland langfristig auszuschließen. Jetzt muss Putin nur noch einen geeigneten Nachfolger für sich selbst finden – nicht zu schwach und nicht zu stark – aber einen solchen scheint es noch nicht zu geben.

Was genau Putins Rochaden für uns in der EU und in Österreich bedeuten, darüber sind sich auch Expert_innen noch nicht im Klaren. Schon 1939 stellte der damalige Erste Lord der britischen Admiralität, Winston Churchill, fest: „I cannot forecast to you the action of Russia. It is a riddle wrapped in a mystery inside an enigma.” Russland sei ein Rätsel, eingehüllt in Mysterium innerhalb eines Enigmas – ein Zitat, das heute aktueller nicht sein könnte.
 

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