Es war also doch kein Unfall, das iranische Militär hat die ukrainische Maschine am Mittwoch kurz nach dem Start abgeschossen. Der Verdacht war schnell aufgekommen, aber nun hat die Regierung in Teheran den Abschuss zugegeben und spricht von einem „menschlichen Fehler.“ Laut iranischer Führung habe es an diesem Tag mehrere Drohungen der USA gegebene, den Iran anzugreifen. Die Tragödie zeigt, wie schnell Konflikte gefährlich werden können, wie dringend der Dialog im Nahen Osten ist. Die EU Außenminister haben sinnvollerweise gestern beschlossen alles dafür zu tun, das Atomabkommen, aus dem Trump ausgestiegen ist, am Leben zu erhalten.
Die untypische Koalition
Wir haben eine neue Regierung, und gestern hat sie sich im Parlament vorgestellt. Außenpolitik und die gefährliche Lage im Nahen Osten, aber auch am Balkan haben dabei leider kaum eine Rolle gespielt, aber hier gleich mehr dazu. Der neue Vizekanzler Werner Kogler hat auch bei dieser Gelegenheit länger gesprochen als Bundeskanzler Sebastian Kurz, und er hat auch konkreter geredet. „Wir wollen die Europäische Union weiter entwickeln“, so Kogler. Und er zeigte auch einen ersten Konflikt zwischen Türkis und Grün: Die neue Europaministerin Karoline Edtstadler hat ja bei ihrem Besuch in Paris nochmals mit aller Härte erklärt, dass Österreich nicht mehr als 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts an Brüssel abliefern werde. Werner Kogler hingegen meinte gestern, darüber müsse in der Regierung noch gesprochen werden, das Ergebnis werde zwischen 1 und 1,14 Prozent liegen.
Das ist ein großer Widerspruch: Im neuen Regierungsprogramm stehen viele Maßnahmen, von denen wir noch nicht wissen, wie sie finanziert werden sollen. Umgekehrt weiß Frau Edtstadler schon jetzt, dass sie der EU nicht mehr Geld geben will, ohne darüber zu reden, was die EU wird leisten müssen. Budgetkommissar Johannes Hahn drängt indes auf höhere Beitragszahlungen Österreichs. Wenn wir tatsächlich an einem effektivem Außengrenzschutz interessiert seien, müsse man das auch entsprechend finanziell unterlegen. Und wenn nicht bei den Regionalmitteln in der Landwirtschaft gespart werden soll, so Hahn, "dann muss man nicht in Mathematik maturiert haben, um zu sehen, dass sich das nicht ausgeht".
Auf diesen Widerspruch habe ich im Nationalrat in meiner Rede hingewiesen, ebenso wie auf Robert Schumann. Frau Edtstadler, die über einen kurzen Umweg ins Europäische Parlament Europaministerin wurde, hat ja bereits im Pariser Außenministerium vorgesprochen. Sie wurde im Uhrensaal des Quai d‘Orsay empfangen, einem wahrhaft historischen Ort. Denn dort hat Robert Schumann am 9. Mai 1950, also nur fünf Jahre nach Ende des Krieges seine berühmte Erklärung abgegeben, mit der die Europäische Gesellschaft für Kohle und Stahl (EGKS) angekündigt wurde. Ihr Ziel war die gemeinsame Kontrolle der Grundstoffe, ein Weg, um künftige Kriege zu verhindern. Der französische Außenminister Schumann damals: „Europa lässt sich nicht mit einem Schlage herstellen. Es wird durch konkrete Tatsachen entstehen, die zunächst eine Solidarität der Tat schaffen.“ Und Schumann weiter:“ Der Friede der Welt kann nicht gewahrt werden ohne schöpferische Anstrengungen, die der Größe der Bedrohung entsprechen.“ Damals war nicht die Rede von 1 Prozent, da ging es um die große Aufgabe der Friedenssicherung.
Hoffnung Europa
Und der Friede ist heute wieder massiv gefährdet. Für uns nicht ganz so offensichtlich am Balkan, und ganz klar im Nahen Osten. Um beide Regionen müssen wir uns kümmern, wir gemeinsam als Europäische Gemeinschaft. Interessanterweise hat der frühere israelische Botschafter in Berlin, Shimon Stein, in der aktuellen Ausgabe der Hamburger ZEIT sich mit der Rolle Europas im Nahostkonflikt beschäftigt. Stein: „Europa ist allein in der Lage, sich dem Vergeltungsterrorismus entgegenzustellen, vielleicht sogar einem schnellen Abrutschen in einen Krieg.“ Europa müsse zwei seiner stärksten Trümpfe ausspielen: Seine Bereitschaft, dem Iran eine wirtschaftliche Rettungsleine zu bieten, sollte er den europäischen Forderungen nachkommt, in Verbindung mit der Drohung, sich andernfalls der amerikanischen Politik des Drucks anzuschließen.“ Europa muss nun alles dafür tun, dass der Iran sich doch noch an den Atomdeal hält, den Donald Trump gekündigt hat.
Wahlversprechen gebrochen
In Bezug auf die Wirtschaftspolitik besonders ärgerlich ist, dass die kalte Progression wieder nicht abgeschafft wird. Alle Parteien haben das versprochen, gerade auch die ÖVP. Allein zwischen 2016 und 2022 zahlen wir alle 3,7 Milliarden Euro mehr an Steuern durch die kalte Progression. Und wie die angebliche ökosoziale Steuerreform wirklich aussehen wird, wissen wir nicht. Hinzu kommt, dass einfach sehr viele Maßnahmen ohne Finanzierung im Programm stehen.
NEOS beschützen Rechtsstaat
Zu einer Häkelei führte im Nationalrat die Bereitschaft der Grünen, mit der ÖVP eine Willkürhaft vulgo Sicherungshaft einzuführen. Herbert Kickl, der genau das als Innenminister wollte und dafür auch von den Grünen kritisiert wurde, hat gestern einen Antrag für die Sicherungshaft eingebracht. Dem Kickl-Antrag haben weder ÖVP noch Grüne zugestimmt, wollen dazu aber einen eigenen Vorschlag erarbeiten – angeblich ja vollkommen verfassungskonform, aber das wird wohl nicht möglich sein. NEOS werden sich massiv gegen eine Willkürhaft starkmachen, das ist auch mir ein großes Anliegen. Schon als Journalist bemerkte ich sehr positiv, dass NEOS unter Türkis-Blau laut aufgeschrien hatten, während selbst Teile der SPÖ sich eine solche Willkürhaft lebhaft vorstellen konnten.
Eine allgemeine Beobachtung der gestrigen Nationalratssitzung, bei der endlich auch die Ausschüsse eingesetzt wurden: Die Grünen haben sich mental und disziplinär gut darauf eingestellt, dass sie immer applaudieren müssen, wenn jemand von den Türkisen spricht. Es war natürlich zu spüren, dass sich da manche sehr schwergetan haben, und es ist natürlich unvorstellbar, dass dieser Honeymoon lange anhalten wird. Schon beim Budget müssen Konflikte entstehen, wenn grüne Projekte nicht ausreichend finanziert werden. Dazu kommt, dass etwa der neue Sozialminister Rudi Anschober sich weiter bei Härtefällen von angelehnten Asylwerbern bemühen wird, Innenminister Nehammer aber den strammen Karl spielen wird. Und das Gesetz zur Sicherungshaft wird auch nicht so einfach zu beschließen sein. Aber wir werden ja sehen. Gut ist, dass es endlich eine Regierung gibt, die handeln muss, auch angesichts einer sich wohl eintrübenden Konjunktur. Da ist es besonders absurd, dass wir in Österreich weiter früh in Pension gehen werden, weit früher als es in den meisten OECD Ländern der Fall ist.