Der Balkan und die EU
In Brüssel habe ich Marija Sosic vom European Endowment for Democracy getroffen. Die Einschätzungen der serbischen Expertin, wie gut vorbereitet die Länder des Westbalkan sind, waren nicht optimistisch. Aber auch die EU kommt nicht weiter in den offiziellen Bestrebungen, die Gespräche mit den Ländern weiter zu bringen. Offiziell als Beitrittskandidaten anerkannt sind am Westbalkan Albanien, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien. Es wird da und dort verhandelt, aber es werden eher neue Hürden aufgebaut als Einigkeit erzielt. Serbien hat sich diese Woche wieder zwei große Schritte von der EU entfernt. Zunächst nominierte Staatspräsident Aleksander Vucic den früheren Innenminister Aleksandar Vulin zum Chef des Geheimdienstes. Vulin ist einer der wenigen Politiker, die nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine Moskau besucht hat, um der russischen Führung seine Sympathien zu zeigen. Als Minister hat sich dafür ausgesprochen, das Beitrittsansuchen Serbiens zur EU zurückzuziehen. Westliche Geheimdienste werden mit ihm nicht zusammenarbeiten. Und der Staatspräsident selbst hat seine Teilnahme am Westbalkangipfel in Tirana in der kommenden Woche abgesagt, weil er mit der Ernennung eines Ministers im Kosovo nicht zufrieden ist. Was ihn das angeht? Der Anspruch Serbiens auf „Kosovo und Metohija“ als ihre Provinz ist unverändert, die Beschimpfung des kosovarischen Ministerpräsidenten als „terroristischer Abschaum“ gehört da zur „Diplomatie“ des serbischen Ultra-Nationalisten. Aber auch die EU muss sich endlich einig sein. Länder wie Spanien und Rumänien, aber natürlich auch Ungarn haben den Kosovo noch immer nicht anerkannt. Der serbische Präsident spielt sein Schaukelspiel zwischen der EU, Russland und China. Eine geeinte EU sollte ihn bald vor die Entscheidung stellen, sich für oder gegen Europa auszusprechen. Mit allen Konsequenzen.
Interessant war ein Besuch bei Robert Brieger, dem Vorsitzenden des Militärausschusses der Europäischen Union. Das ist ein Beratungsgremium für die Einrichtungen der EU. Er wusste schon davor, dass Österreich als Teil der EU seine Sicherheit bestimmen muss. Und erlebt die Notwendigkeit in seinen Gesprächen jetzt erst recht. Ich war übrigens der erste österreichische Abgeordnete, der ihn besucht hat. Kleiner Tipp an Kolleg:innen: es lohnt sich.
Stalin und Putin
In Graz, in der Stiegenkirche , der ältesten Kirche der Stadt, wird gerade eine eindrucksvolle Ausstellung gezeigt. Nicht zufällig dort, denn in dieser Kirche feiern Vertriebene aus der Ukraine regelmäßig auch Ihre Gottesdienste. Die Schau vergleicht Fotos aus der Zeit des Holodomor mit schrecklichen Bildern des russischen Angriffs. Vor 90 Jahren brachte Stalin den „Tod durch Hunger“ in die Ukraine, heute bringen Putins Bomben Tod und Verwüstung. Die Drohungen von Abgeordneten und „Experten“ im russischen Fernsehen gegen Europa werden immer verrückter, da ist übrigens auch Österreich nicht ausgenommen. Aber es wird immer öfter auch davon gesprochen, dass es nach dem Krieg ein Tribunal gegen Kriegsverbrecher geben könnte. Immerhin hat man in Russland verstanden, dass die westliche Gemeinschaft nicht einfach so zusehen wird. Wir sollten auch klar signalisieren, dass die eingefrorenen Werte der russischen Oligarchen, die weiter Putin unterstützen, für den Wiederaufbau der Ukraine verwendet werden sollen.
Wie die New York Post berichtet, ist Putin fünf Stiegen hinuntergefallen. Symbolisch.
Respekt in der Politik
In Graz habe ich auch eine Diskussion mit dem Historiker Heinz Wassermann über die Thesen meines Buches zur „Heilung der verstörten Republik“ geführt. Interessant bei allen derartigen Gesprächen mit Publikum sind die Wortmeldungen, dass es zwischen Politiker:innen nur mehr böse und gehässig zugehen würde. Dem widerspreche ich insofern, als es zwischen Angehörigen unterschiedlicher Parteien auch respektvolle Gespräche gibt. Nur leider merkt die Öffentlichkeit nichts davon. Ich glaube, die Politik selbst muss das Thema ansprechen, auch mit den Medien. Das schlechte Image sowohl der Politik als auch der Berichterstattung hat ja eine reale Grundlage. Besonders absurd war diese Woche eine Art Kampagne von gewissen Zeitungen gegen die gesetzlich vorgesehene Erhöhung der Politikergehälter. Ich weiß wovon ich spreche, wenn ich Ihnen ganz objektiv sage, dass Chefredakteur:innen über das Einkommen von Abgeordneten nur lächeln können. Eine Politik, die sich ernst nimmt, muss auch zu Gehältern stehen, die zwar hoch, aber im Vergleich zur Privatwirtschaft sicher nicht zu hoch sind.
Zu kurz gedacht
Die Medien berichten heute über die Aussagen von Sebastian Kurz gegenüber der Staatsanwaltschaft. Sein Satz, die Aussagen von Schmid seien nicht „die Bibel“ ist von der inzwischen bekannten Un-Bildung des Ex-Kanzlers geprägt. In der Bibel geht es nicht darum, dass die Wahrheit geschrieben steht - wie Kurz offensichtlich glaubt - sondern um die Suche nach der Wahrheit, um Erkenntnisse. Es geht darum, das Richtige zu tun, sicher auch um Handlungsanleitungen.
Das Erstaunliche an Sebastian Kurz ist ja, wie lange er mit zum Teil völlig sinnlosen Formulierungen einfach zitiert wurde. Er argumentierte ja auch, dass es trotz Klimawandels keinen Verzicht geben dürfe, das würde uns „zurück in die Steinzeit führen.“ Weiß er, was die Steinzeit war? Welche Phase der rund 2,6 Millionen Jahre meinte er? Gefragt hat ihn das niemand, er kam mit so viel Unsinn irgendwie durch, eine Zeit lang zumindest.
In einem Punkt aber wird auch Kurz nicht herausreden können: Im Ibiza Ausschuss hat er ganz sicher die Unwahrheit gesagt, als er auf meine sehr einfache Frage, ob er mit Schmid nie darüber geredet habe, dass dieser ÖBAG Chef werden wolle, mit „Nein“ geantwortet. So steht es im Protokoll. Die entscheidende Frage ist, ob es für die Unwahrheit einen Vorsatz gegeben hat. Das verlangt der Paragraph 288 StGB. Das sollen die Gerichte entscheiden. Ebenso die Frage der Untreue im Zusammenhang mit der Inseratenkorruption. Die Akzeptanz der Justiz gehört zur Heilung für die verstörte Republik
Ich wünsche Ihnen ein erholsames Wochenende, ab Mittwoch werde ich über die sozialen Medien über unseren Besuch in der Ukraine berichten.