Meine erste aktive Parlamentswoche, ein seltenes Ereignis. Immerhin wurden am 23. Oktober 183 Abgeordnete im Nationalrat angelobt, aber erst am letzten Mittwoch gab es wieder eine Plenarsitzung, und die nächste erst im Dezember - außer, es kommt zu einer Sondersitzung, doch dazu noch später.
Die Ausschüsse ebenso wurden noch nicht konstituiert, abgesehen von jenem für das Budget. Mein Kollege Niki Scherak merkte in der ersten Sitzung an: Hans Kelsen, der Vater unserer Verfassung würde sich ganz schön wundern, wenn er im Nationalrat vorbei schauen würde. Er hat ihn als selbstbewusstes Parlament vorgesehen, nicht als Vollzugsorgan der Regierung, das sich ohne Exekutive verloren fühlt. NEOS haben schon Einiges versucht, um unseren Parlamentarismus zu stärken, da haben wir aber einen weiten Weg vor uns.
Der stabile Weißrusse
Den Begriff der Demokratie kann man folglich sehr unterschiedlich auslegen. Das habe ich auch am Dienstag anlässlich des Besuchs von Aljeksandr Lukashenka in Wien erfahren. Der Mann, der seit 1994 den Diktator von Weißrussland gibt, stellte sich österreichischen Abgeordneten gegenüber als Kollege vor. Er war ja auch einmal Mitglied des Parlaments. Von einem autoritären System in seinem Land will er natürlich nichts wissen, er habe die letzten Wahlen nur deshalb gefälscht, um das großartige Ergebnis für ihn etwas schlechter aussehen zu lassen, so um die 6 bis 7 Prozent, wegen der Glaubwürdigkeit. Interessant war seine These, dass die Welt in früheren (sowjetischen) Zeiten stabiler, also besser war. Und leider ganz richtig war seine Aussage, dass niemand ein starkes, einiges Europa will. Russland nicht, China nicht, aber auch die USA nicht. Das sollte uns zu denken geben, so der Weißrusse. Ja, darüber nachdenken tun ja viele, aber es passiert nichts, damit wir Europäer selbstbewusst auf der Welt auftreten können, kleinliche Nationalisten beherrschen unseren kleinen Ausläufer des eurasischen Kontinents.
Am Weg in den autoritären Staat
Absolut aufregen müssen uns die neuesten Erkenntnisse über Vorfälle in und um Kickls (Un)-Sicherheitsministerium. In meinem Buch berichte ich ja Details über Kickls Versuch, Angst und Schrecken im Ministerium und darüber hinaus zu verbreiten. Nun lernen wir, dass eine Behörde des Innenministeriums, das Bundesamt zur Korruptions-bekämpfung (BAK) im Zuge des BVT-Skandals die Handys der Journalistin Anna Thalhammer und der NEOS-Abgeordneten Stefanie Krisper beschlagnahmen wollte. Schon der Gedanke ist erschreckend, immerhin gibt es ein Redaktionsgeheimnis. Dieses hat letztlich auch Krisper geschützt, weil sie einen Blog betreibt. Das erinnert mich daran, dass nach dem Sturm auf das BVT in Redaktionen das Gerücht auftauchte, es könnte auch dort zu Durchsuchungen kommen. Damals hielt ich das für absurd, heute muss ich glauben, dass in Kickls Umgebung ernsthaft daran gedacht wurde. Und die ÖVP schließt eine weitere Koalition mit der FPÖ einstweilen noch immer nicht aus...
Der Ausschuss als (viele) Stunden der Wahrheit
Dafür will die ÖVP ausführlich mit den Grünen über eine Regierung verhandeln. Im Plenum war weiters die persönliche Distanz der ungleichen Parteien zu spüren, aber auch das Bemühen, dem jeweils anderen nicht weh zu tun. Das wird demnächst noch schwieriger werden, wenn die Neos einen „Posten - und Korruptionsuntersuchungsausschuss beantragen werden. Die Grünen werden sich schwer tun, da nicht mitzustimmen. Der ÖVP wird das wenig Freude machen, sollen doch mehrere Fälle aus der türkis-blauen Zeit geklärt werden, wo Postenschacher fröhlich gelebt wurde.
Bei den Casinos geht es noch um mehr: Nämlich um die Frage, wie der Deal der FPÖ mit der Novomatic ausgesehen hat. Dass es einen gegeben hat, ist ja klar, das weiß man aus WhatsApp-Chats. Aber war er auch korrupt? Und war strafrechtliche Untreue im Spiel, als man um viel Geld einen Posten frei machen musste, um Platz für den FPÖ-Günstling Peter Sidlo zu haben? Vor allem jedoch: Was hat die ÖVP Spitze um Sebastian Kurz gewusst, was wusste der damalige Kanzler selbst. Die Aussage von Gernot Blümel, ihm waren die Vorgänge un-bekannt, ist völlig unglaubwürdig. Finanzminister Löger durfte gar nichts entscheiden, er hat sich ja nicht einmal sein Kabinett aussuchen dürfen. Er ist jetzt das Bauernopfer, vorerst, denn der Untersuchungs-ausschuss wird noch Vieles zu Tage bringen.
Was mich in diesen Tagen doch skeptisch werden lässt: Ich führe als zuständiger Sprecher für Forschungspolitik interessante Gespräche mit Frauen und Männern aus diesem Bereich, um zu erfahren, wo die Politik hier handeln muss. Allgemeiner Tenor: Darum kümmert sich leider niemand wirklich. Und dann lesen wir noch im neuen OECD-Bericht, dass Österreich mehr für die Finanzierung seiner Zukunft tun müsste. Zeitgleich erleichtern wir den Gang in die frühe Pension und müssen uns ständig um Korruptionsfälle kümmern. Zukunftssicher oder enkelfit, wie es oft heißt, sind wir also nicht aufgestellt.
Ihr Helmut Brandstätter
Abgeordneter zum Nationalrat
Sprecher für Außenpolitik und Forschung