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Zerstören-um jeden Preis

Der Nationalrat hat am Donnerstag seine letzt Sitzung in der Hofburg absolviert. Am Freitag wurden wir zur Weihnachtsfeier bereits in das historische „Haus am Ring“ eingeladen. Draußen standen noch Bauzäune - um Zäune wird es später auch noch gehen - drinnen war alles picobello hergestellt. Am 12. Jänner wird das Parlament mit einer Festsitzung eröffnet, wir werden die alten Themen ins neue Jahr mitnehmen, aber in eine ansprechende Umgebung.

Zerstören um jeden Preis

Am letzten Tag diskutierten wir noch mehrere Aspekte der Außenpolitik. Während wir in Ruhe sprachen, mussten die Bewohner mehrerer ukrainischer Städte wieder in ihre Bombenkeller flüchten. Wir, die Delegation unseres Parlaments, war erst am Sonntag aus Kyiv zurückgekehrt. Wenn man so nahe am Krieg war, spürte man den Terror Putins und das Leid der Menschen noch stärker. Wir waren in Kyiv auch im Holodomor Museum. Der Diktator Stalin wollte den Freiheitswillen der Bevölkerung in der Ukraine, vor allem der Bauern, durch Entzug von Lebensmittel brechen - Holodomor, Tod durch Hunger. Nach meiner Überzeugung auch ein Völkermord. Putin wird immer öfter zum Imitator Stalins. Genau so brutal, aber noch zynischer. Er will die Menschen töten, indem er sie erfrieren lässt. Umspannwerke werden systematisch bombardiert, ohne Strom wird das Heizen schwierig, Wasser fehlt. Das ist ja die wichtigste Erkenntnis des jüngsten Besuchs: Putin wird zwar noch viele Menschen töten, aber den Freiheitswillen der Menschen in der Ukraine wird er nicht umbringen können. „Wir wissen, wie wir in einer Putin Diktatur leben würden, das werden wir weder uns noch unseren Kindern zumuten.“ Diesen Satz haben wir oft gehört. Es wird aber noch viel mehr zerstört: Der in St. Petersburg geborene Autor Andrij Kurkov beschreibt in seinem „Tagebuch einer Invasion“, wie auch Kultureinrichtungen bombardiert werden. Und auch Ukrainer:innen mit der Muttersprache Russisch wollen diese nicht mehr sprechen. Eine Mitarbeiterin einer Menschenrechtsorganisation aus Charkiv erzählte uns, ihre Tochter würde seit dem Kriegsbeginn beten - auf ukrainisch, obwohl Russisch ihre Muttersprache ist. Was da gerade zerstört wird, kann erst in Generationen wieder geheilt werden.



Überleben-mit unserer Hilfe

Am Rande des Plenums haben Abgeordnete von vier der fünf im Parlament vertretenen Parteien wieder Iranerinnen und Iraner getroffen, die in Österreich leben, zum Teil auch die österreichische Staatsbürgerschaft haben. Sie sorgen sich um die vielen überwiegend jungen Menschen in ihrer Heimat, die gerade besonders grausam verfolgt werden. Zwei junge Männer wurden bereits nach kurzem Prozess aufgehängt, viele andere sollen folgen. Wir vier Parteien - sie können leicht erraten, wer nicht dabei ist, werden auch die Patenschaft für Häftlinge im Iran übernehmen. Und da stellt sich auch die Frage, was Diplomatie erreichen kann. Sollen wir die Beziehungen zum Iran abbrechen, dann haben wir gar keinen Einfluss mehr. Macht es Sinn, über Gespräche im Hintergrund zu versuchen, den seit fast sieben Jahren in Haft befindlichen Kamran Ghaderi frei zu bekommen? Hoffentlich, obwohl bis jetzt alle Versuche, den Doppelstaatsbürger mit Familie in Wien zu befreien. Sicher ist, dass gegen alle Organisationen und Personen rund um die Revolutionsgarden strikte Sanktionen verhängt werden müssen. Das sind Terroristen, so gehören sie behandelt. Ich habe den Außenminister Schallenberg gebeten, alles zu versuchen, um Eigentum und Vermögen von Revolutionsgarden in Österreich aufzuspüren und zu beschlagnahmen.

 

Grenzlos dumm

Ich fand es sehr gut, dass wir in einigen außenpolitischen Fragen Einigkeit innerhalb von vier Parteien gefunden haben. Umso sonderbarer ist das Verhalten der ÖVP rund um die geplante Mitgliedschaft von Bulgarien und Rumänien im Schengen Raum. Hier ist grenzenlosen Reisen möglich - wenn nicht gerade Corona regiert. Seit 10 Jahren bemüht sich Rumänien um Aufnahme, im November war klar, dass Rumänien die Anforderungen erfüllt. Aber da kamen bedrohliche Umfragen über die Niederösterreichischen Landtagswahlen dazwischen. Die sollten für Österreich nicht interessant sein. Aber für die ÖVP sind sie es. Und leider kann diese Partei schon allzu lange nicht mehr zwischen Partei und Staat unterscheiden. Deshalb mag die ÖVP die Schmid WhatsApp nicht, weil genau das so deutlich dokumentiert wird. Inzwischen gehen wir davon aus, dass im zweiten Halbjahr 2023 das Problem behoben ist. Dann wird Österreich der Aufnahme Rumäniens zustimmen. Und die FPÖ wird die ÖVP als „Umfaller“ verhöhnen. So wie die FPÖ jetzt einen Zaun um Österreich verlangt, wenn die ÖVP einen Zaun an der EU Außengrenze verlangt. Die Strategie der ÖVP bleibt mit verborgen: Sie positioniert sich rechts und versteht nicht, dass die FPÖ immer noch radikaler auftreten wird. Das politische Klima aber ist dann schon zerstört. 


Mehr Demokratie- im neuen Rahmen

Das Parlament hat für mich seit über 50 Jahren eine besondere Bedeutung. Seit dem Jahr 1970 habe ich als Schüler immer wieder Plenarsitzungen besucht, das Besondere an Rednerinnen und Rednern eingeordnet, Rhetorik und Gestik beobachtet. Mein Onkel Jakob, ein Landwirt aus dem südlichen Niederösterreich, war ab 1967 Abgeordneter zum Nationalrat. Er setzte mich in die Loge, die eigentlich den Mitgliedern des Bundesrats vorbehalten, aber meist leer war, und ich lauschte den Debatten. Am 12. Jänner werde ich im renovierten Sitzungssaal Platz nehmen, zur Eröffnung des Parlaments. Über 5 Jahre wurde an der Renovierung gearbeitet, das hat rund 420 Millionen Euro gekostet, aber es sind auch rund 1.600 Räume mit 740 Fenstern und 600 Türen. Zwischen 1874 und 1883 wurde das Gebäude für den Reichsrat nach Plänen des Architekten Theophil Hansen gebaut. Er hatte zuvor in Athen studiert, was man leicht nachvollziehen kann. 

Jetzt haben wir ein runderneuertes Haus, jetzt sollten wir daran arbeiten, den Parlamentarismus zu erneuern. Das kostet viel weniger, wäre aber sehr wichtig. „Mehr Parlamentarismus wagen“ - das wäre es, frei nach Willy Brandt.

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