Report

Schlechte Show und schwache Minister

Gemeinsam durch die Krise
Verordnung ohne Ordnung
Wir brauchen Dialog
Wir reden natürlich noch viel über das Virus, aber müssen jetzt auch zunehmend darüber diskutieren, wie wir diese verheerend enwirtschaftlichen Folgen für alle halbwegs erträglich machen. Dafür braucht es Dialog, zuhören und gebenenfalls auch einmal dem anderen recht geben. Die Opposition hat es sich nicht leicht gemacht, der nationale Schulterschluss, den die Regierung verlangte, hat aber leider nicht lange funktioniert. ÖVP und Grüne wollen einstimmig Gesetze beschließen, ohne Dialog. Doch das geht so nicht.

Türkise Angstpolitik
Die gute Nachricht zuerst: Die Zahl der aktuell Erkrankten geht zurück. Und nun die schlechte: Der Ton der Regierung wird dennoch immer rabiater. Wie ist das zu erklären? Ganz einfach: Das hat System. Die Informationspolitik von Kurz und seinem Gefolge zielt nicht auf Erklärung und Aufklärung ab, sondern auf die Erzeugung von Angst.

Raus aus der "Harmoniefalle"!
Am meisten verwirrt mich im Moment die Frage, wieviele Menschen sich in Österreich wirklich angesteckt haben. Eine repräsentative Stichprobe von SORA nähert sich nun an die Zahl 28.500 an. Das wäre zwar mehr als erwartet, aber immer noch weniger als 0,4 Prozent der Bevölkerung. Von einer Herdenimmunität sind wir also noch weit entfernt, sollten die Zahlen stimmen. So oder so zeigen sie nur auf, wie viele zwischen 1. und 6. April infiziert gewesen sind. Wer vielleicht schon immunisiert ist, erfahren wir nicht. Dafür brauchen wir regelmäßige Tests in hoher Zahl, vor allem Antikörpertests. Und es braucht eine Informationspolitik der Regierung, die wichtige Daten und Fakten offenlegt und auf die ständigen Lobpreisungen und militanten Anweisungen verzichtet.

Im Windschatten der Krise
Es gibt ja Zukunftsforscher_innen – für mich eine contradictio in adjecto, wie soll ich etwas ohne Daten erforschen? –, die bereits prognostizieren, dass wir künftig vorsichtiger mit uns und unseren Mitmenschen umgehen werden. Das glaube ich nicht. Im Moment wird wirtschaftlich viel zerstört, Freiheiten werden eingeschränkt, vielleicht sogar dauerhaft. Viele kleine Unternehmen und Freischaffende werden es extrem schwer haben, wieder auf die Beine zu kommen. Zudem wächst im Windschatten der Krise der Machthunger jener, die die Demokratie nur so lange zulassen, solange sie halt sein muss. Ich beobachte aktuell eine Jagd der "Kriegsgewinnler" nach den größten Trophäen. Hier ein paar Beispiele.
Wir leben nicht im Krieg
Die EU muss eine Gemeinschaft der Grundrechte bleiben, dazu gehört unter anderem der Schutz des Privatlebens. Die vorübergehende Verwendung von anonymisierten Daten ist die eine Sache, aber eine Gesellschaft mit "social credits" für Verhalten und entsprechenden Strafen - wie in China - dürfen wir nicht einmal ansatzweise dulden. Übrigens wäre es da auch passend, wenn der Innenminister sein allzu stramm-militärisches Gehabe wieder mildern könnte. Wir leben nicht im Krieg, sondern in einer Gesundheits- und Wirtschaftskrise und die verlangt nach Empathie.
Die Freiheit, die wir meinen
Bei aller Notwendigkeit drastischer Maßnahmen müssen wir auch an die Zeit nach der Krise denken. Vorerst gelten die Einschränkungen des öffentlichen Lebens bis Mitte April, aber der Ausnahmezustand könnte noch viel länger dauern. Irgendwann wird das Leben wieder normal sein, also müssen wir aufpassen, dass unsere Freiheiten jetzt nicht nachhaltig eingeschränkt werden. Beate Meinl-Reisinger hat letzte Woche im Plenum deutlich auf die vielen Errungenschaften unserer offenen Gesellschaft hingewiesen – gut, dass es in diesen Tagen eine starke liberale Partei im Land gibt.
Zeit zum Nachdenken
Manche von uns werden jetzt mehr Zeit haben, doch für einige Menschen, die wir im Moment noch mehr brauchen als sonst, gilt das nicht: Vor allem medizinische Personal, dem wir größten Respekt zollen müssen, aber auch allen anderen, die jetzt dafür sorgen, dass wesentliche Teile unseres Lebens weiter funktionieren. Von Supermärkten, in denen Angestellte an den Kassen Großartiges leisten, bis zu den Bediensteten im öffentlichen Verkehr. Ihnen allen einen herzlichen Dank!
Ein zynisches Trauerspiel
Wenn Sie wissen wollen, was Kanzler Kurz über Flüchtlinge denkt, legen Sie sich einfach eine alte Platte aus dem Jahr 2015 auf. Denn mehr hat er über sie einfach nicht zu sagen. Ebenso seine Mitarbeiter_innen - darunter auch jene, die als Bundesminister_innen eine in der Verfassung festgelegte Verantwortung haben -, sagen immer nur das Selbe. Und sie lesen das auch noch von einem Blatt ab, das ihnen vorgelegt wird. Das nennt man bei uns „politisches Talent".
Krisen-Inszenierung
Die Inszenierungen im Krisenstab, wo posierende Politiker nur stören können, und das Kreisky Zimmer als hell erleuchtetes Fotostudio zeigen den Missbrauch einer echten Krise für falsche Bilder. Sie sollen die Illusion erzeugen, ein umsichtiger Mann könne eine Megakrise mit all seiner Kraft lösen, wenn man ihn nur ließe. Dieses Vortäuschen ist verantwortungslos. Vielleicht lernen wir aber auch etwas aus der Krise: Ereignisse wie Corona sind nur gemeinsam und grenzüber-greifend zu bewältigen, für uns im Rahmen der EU.

Populismus zerstört unser Europa
Wie zu erwarten, war der gestrige EU-Gipfel ein Schlag ins Wasser, eine Einigung blieb aus. Der Nationalismus lugt wieder überall hervor, als ob es das 20. Jahrhundert nicht gegeben hätte. Bildungsnotstand, auch in den höchsten Regierungskreisen, und nicht nur in Österreich.

Spiel mit Personen und Abhängigkeiten
In den letzten Tagen habe ich sehr viel darüber nachgedacht, warum die Angriffe des Kanzlers auf die Justiz mich und ein paar andere so aufregen, große Teile der Bevölkerung aber kalt lassen. Und warum es so wenige Menschen berührt hat, dass die letzte Regierung unter Kurz einige Gesetze beschließen ließ, deren Verfassungsmäßigkeit zu bezweifeln war, wie im Fall der Mindestsicherung, wo der VfGH das Gesetz wieder aufheben musste.