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Was wir fordern

für eine starke Europäische Union, die wirtschaftlich stark und unabhängig ist

Europa befindet sich vor einer Richtungsentscheidung, mit der die Weichen für
die Zukunft unseres Kontinents gestellt werden. Die Krisen der jüngeren
Vergangenheit haben gezeigt, wie widerstandsfähig Europa gemeinsam sein kann,
wenn es gilt, unerwartete Herausforderungen kurzfristig zu bewältigen. Doch
zugleich wurden seit 2019 viele Mängel sichtbar, ob in der Covid-19-Pandemie,
dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine seit Februar 2022, dem Hamas-
Terror gegen Israel im Oktober 2023, dem Kampf gegen die Energie- inmitten der
Klimakrise oder der höchsten Inflation seit Einführung des Euros vor 25 Jahren.
In dieser Zeit der Unsicherheit braucht es mehr denn je eine klare Vision und
konkrete Wege für ein entscheidungs- und handlungsfähiges, ein souveränes und
geeintes Europa.

Zu Recht davor zu warnen, dass die populistischen, links- und rechtsextremen
Parteien das europäische Projekt gefährden, und ihren Einfluss im
Europaparlament klein zu halten, ist nicht genug. Es braucht nicht nur die
Verteidigung des gemeinsamen Europas, es braucht seine Weiterentwicklung und
Erneuerung. Dem Rückfall in den zerstörerischen Nationalismus muss der Aufbruch
in eine neue Zeit entgegengestellt werden. Ein Aufbruch in die Vereinigten
Staaten von Europa.

Als überzeugte Europäer:innen werden wir uns allen inneren und äußeren Feinden
einer starken Union in den Weg stellen. Wir werden gegen jene Parteien
auftreten, die Europa zurückbauen wollen oder die nur ihre eigene Macht und die
damit verbundenen Posten im Auge haben, statt die Zukunft des Friedensprojekts
EU. Wir wollen das Leben der rund 450 Millionen Menschen in unserer Gemeinschaft
aktiv verbessern. In einer Zeit, in der selbst der EU gegenüber positiv
eingestellte Bürgerinnen und Bürger besorgt, enttäuscht und zweifelnd sind,
braucht es dazu frische Ideen und überzeugende Konzepte. 2019 wollten NEOS in
ihrem Europaprogramm „Europa neu (be)gründen“. 2024 lautet der Anspruch klar:
Mutig in die Vereinigten Staaten von Europa.

Wir setzen uns für ein Europa ein, das seine Stärken kennt und nutzt, das in der
Lage ist, auf globaler Ebene zu agieren, eine Vorreiterrolle für die Werte der
liberalen Demokratie einzunehmen, und das Verantwortung übernimmt – sowohl
innerhalb seiner Grenzen als auch darüber hinaus. Dafür müssen wir auch an den
Schwächen Europas arbeiten.

Vereinigte Staaten von Europa

Die EU braucht neue Verträge und damit Regeln, die sie
entscheidungsfähiger, handlungsfähiger, demokratischer und bürgernäher
machen. Dazu gehören Reformen auf allen Ebenen: ein stärkeres,
demokratischeres Parlament, eine kleinere EU-Kommission, mehr
Bürgerbeteiligung und weniger bürokratische Hürden. Ziel ist, dass die EU
nicht nur schneller und entschlossener arbeitet, sondern Entscheidungen
auch partizipativer getroffen werden. Darüber hinaus wollen wir die Transparenz erhöhen und
Verantwortlichkeiten klären. Damit tragen wir dazu bei, dass die EU besser im
Sinne ihrer Bürgerinnen und Bürger agieren kann und Vertrauen zurückgewinnt.

Europäische Armee

Beim aggressiven und völkerrechtswidrigen Akt des Angriffs Russlands auf die
Ukraine geht es um nichts weniger als um die Sicherheit Europas und damit
die Sicherheit Österreichs, die jetzt in der Ukraine entschieden wird. Auch der
Terrorangriff der Hamas auf Israel hat gezeigt, dass die Welt eine unsichere ist
und Europa zu selten mit einer Stimme spricht. 

Leider ist die Europäische Union aktuell zu selten Produzent von politischer
Stabilität, sondern ohne Partner wie die USA vielmehr handlungsunfähig. Darin
zeigt sich gerade im Wahljahr für den nächsten US-Präsidenten überdeutlich die
Notwendigkeit einer wehrfähigen Europäischen Union. Teil einer echten
Verteidigungsunion muss auch eine gemeinsame europäische Rüstungspolitik sein,
die nicht länger von einzelstaatlichen Befindlichkeiten getrieben ist.

Teil einer echten Verteidigungsunion muss auch eine gemeinsame europäische Rüstungspolitik sein, die nicht länger von einzelstaatlichen Befindlichkeiten getrieben ist.

Wir NEOS wollen ein Europa, das sich gegen Putins Aggressionen und seinen
hybriden Krieg gegen die EU aktiv wehrt. Wir wollen unabhängiger davon werden,
dass die USA als Garant für die Sicherheit und Verteidigung von Europa benötigt
werden. Daher wollen wir in Europa eine gemeinsame EU-Armee aus Freiwilligen.

Europa muss Schritt für Schritt in Richtung Europäische Armee gehen. Der
Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat gezeigt, dass die europäische
Verteidigungspolitik nicht souverän agieren kann. Ohne die Unterstützung der USA
wäre die Verteidigung der Ukraine nicht möglich gewesen. Der angekündigten
Zeitenwende der europäischen Verteidigungspolitik müssen daher rasch weitere
Schritte folgen. Harmonisierungs- und Integrationsmöglichkeiten im Sicherheits-
und Verteidigungsbereich müssen voll ausgenutzt. Dringend ist unter anderem eine
gemeinsame und gemeinsam finanzierte Sicherung des europäischen Luftraums, die
etwa die Anschaffung von eigenen österreichischen Abfangjägern überflüssig
machen würde. Es braucht Schritte in Richtung einer europäischen Integration der
Kommandostrukturen bei EU-Missionen. Eine stärkere Verteidigungsfähigkeit der EU
stärkt dabei auch die europäische Säule der NATO. Langfristig ist aber eine
Europäische Armee unter gemeinsamem Oberbefehl und parlamentarischer Kontrolle
das Ziel, um die europäische Souveränität zu jedem Zeitpunkt sichern und
verteidigen zu können. Es müssen rascher echte europäische Projekte, die einen
europäischen Mehrwert generieren und nicht nur die Präferenzen
nationalstaatlicher Rüstungskonzerne widerspiegeln, finanziert und umgesetzt
werden.

Bildung als 5. Grundfreiheit

Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips

Die Themen Sicherheit und Verteidigung
sind klar Bereiche, bei denen die Union effektiver und effizienter sein kann als
die einzelnen EU-Mitgliedstaaten. Im Bereich Durchführung von Maßnahmen der
Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und der Gemeinsamen
Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) müssen Entscheidungen auf EU-Ebene
im Ministerrat immer noch einstimmig beschlossen werden. Dieses Prinzip soll
abgeschafft werden. Stattdessen soll per qualifizierter Mehrheit (55 Prozent der
Mitgliedstaaten und 65 Prozent der Einwohner:innen) entschieden werden.

Eine echte gemeinsame Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik

Die EU benötigt eine:n Außenminister:in mit entsprechenden Kompetenzen. Dazu muss das Einstimmigkeitsprinzip im Bereich Durchführung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) abgeschafft werden.
Stattdessen soll per qualifizierter Mehrheit entschieden werden (55 Prozent der Mitgliedstaaten und 65 Prozent der Einwohner:innen). Als Folge einer Gemeinsame Außenpolitik, die für jeden Bürger greifbar ist, werden die bilateralen diplomatischen Vertretungen in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Europa-Häusern zusammengelegt. Das schafft Verwaltungseinsparungen und Effizienzgewinne, und bewirkt gleichzeitig die Entstehung eines tatsächlich europäischen diplomatischen Korps, durch unmittelbaren Wissenstransfer und praktischer Kooperation. Gleiches ist auch für die Vertretungen im europäischen Ausland anzustreben, was eine gezielte Stärkung der Außenwirtschaft-Beziehungen bedeuten würde.

Es braucht mehr europäische Kooperation bei der Sicherheits- und
Verteidigungspolitik. Das umfasst eine Aufstockung der gemeinsamen Mittel für
Forschung und Entwicklung. Abhängig von der Sicherheitslage gilt es, in der
europäischen Nachbarschaft und mit der NATO-Partnerschaft für den Frieden so eng
wie möglich zu kooperieren. Auch die Staaten des Westbalkans sollen bei
Kooperationen wie PESCO mitwirken. Wir streben auch eine engere Zusammenarbeit
der Westbalkanstaaten mit Europol an, um den Kampf gegen das organisierte
Verbrechen voranzutreiben. Auch die Nachrichtendienste müssen stärker europäisch
gedacht werden, denn eine Europäische Armee, die früher oder später in Europa
Realität sein wird, ist ohne einen gemeinsamen Nachrichtendienst blind. Europol
braucht mehr finanzielle Mittel, um auf bekannte und neue Herausforderungen im
Sicherheitsbereich schnell reagieren zu können.

Wirtschaftliche Stärke durch Freihandelsabkommen

Es braucht einen neuen Anlauf für mehr wertebasierten Freihandel. Während Systemrivalen wie China und Russland aktiv und global an neuen Bündnissen arbeiten, sind liberale Demokratien trotz ihrer ökonomischen Bedeutung ins Hintertreffen geraten. Die Europäische Kommission soll weitere Freihandelsabkommen für offenen, wertebasierten und freien Handel mit möglichst
vielen Staaten weltweit abschließen. Um Handelskriege zu vermeiden, braucht es transparente Abkommen mit effektiven Schlichtungsverfahren. Wir setzen uns für den Abschluss von Mercosur ein. Wir anerkennen Europas historische Verantwortung im Zusammenhang mit der Kolonialisierung Afrikas. Gerade deshalb streben wir eine gleichberechtigte und auf einem soliden Wertefundament stehende wirtschaftliche Zusammenarbeit und einen fairen Handel mit Rohstoffen mit den aufstrebenden afrikanischen Ländern an. Ein Ja zu wertebasierten Freihandelsabkommen ist auch ein Beitrag zu höheren Umweltstandards in Südamerika. Wenn Europa nicht handelt, wird es China tun. In Österreich, Deutschland und einigen anderen Ländern müssen liberale Parteien besonders klar die Vorteile und die Bedeutung von Freihandel benennen, damit die Diskussion um
Handelsabkommen von einer polarisierten Angstdebatte zurück zu einem
faktenbasierten politischen Diskurs kommt.

Gemeinsame Entwicklungshilfe

Gemeinsame Mittel für die Entwicklungspolitik wirken besser. Wenn 27 EU-Länder
27-mal Entwicklungspolitik betreiben, bleibt viel Potenzial auf der Strecke. Wir
sind für eine Vergemeinschaftung der finanziellen Mittel der
Entwicklungszusammenarbeit auf europäischer Ebene. Damit können wir einen
effizienten und kompetenten Beitrag zur Lösung globaler Herausforderungen und
zur Erreichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen
(SDGs) beitragen und zugleich Partikularinteressen effektiv entgegenwirken. Alle
Agenden und Mittel der Entwicklungszusammenarbeit (EZA) sollen in einer EU-
Implementierungsagentur zusammengefasst werden, um einen effizienten Einsatz der
Mittel mit der fachkundigen Expertise der einzelnen Mitgliedstaaten zu
gewährleisten. Eine erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung vor Ort hilft
zudem, Fluchtgründe zu mindern. Daher sollen insbesondere mit den
Empfängerländern der EU-Mittel Rückführungs- und Ausbildungsabkommen
abgeschlossen werden.

China-Strategie

Europa braucht eine China-Strategie. Wirtschaftliche Interessen im Umgang mit
China sind wichtig, dürfen aber nicht die einzige Basis für Entscheidungen sein.
Wir sind für eine europäische China-Strategie, die von unseren liberalen,
demokratischen Werten geprägt ist. Chinas Belt and Road Initiative (neue
Seidenstraße) betrifft auch die europäische Souveränität, daher wollen wir
strategische Initiativen wie Global Gateway stärken. Menschenrechtsverletzungen
in China, etwa gegenüber der muslimischen Minderheit der Uiguren, dürfen nicht
schweigend hingenommen werden. Darüber hinaus braucht es eine Politik der
Reziprozität, in der wir China die gleichen Standards abringen, denen
europäische Unternehmen in China unterworfen sind. Kritische Infrastruktur darf
nicht in die Hände chinesischer Staatskonzerne fallen. Die EU verteidigt zudem
das Recht der 23 Millionen Einwohner:innen Taiwans, ihr Schicksal selbst zu
bestimmen. Ohne Wenn und Aber wäre jede Gewaltanwendung vonseiten der
ungewünschten Regierung aus Peking inakzeptabel.

Russland-Sanktionen

Isolation von und Sanktionen gegen Russland müssen so lange aufrecht bleiben wie
nötig. Sanktionen sind unsere stärkste Waffe gegen Russland. Genau deshalb
dürfen wir hier keine Schwäche zeigen und müssen Putin und seine
Unterstützer:innen weiterhin wirtschaftlich schwächen und die Kosten für die
russische Kriegswirtschaft erhöhen. Zeitgleich müssen wir den Menschen in
Russland zeigen, dass die liberale, demokratische Welt geschlossen gegen das
Regime im Kreml steht, und die Zivilgesellschaft nach Möglichkeiten
unterstützen.

Marshall Plan für die Ukraine

Die Ukraine bekommt eine Beitrittsperspektive und Förderungen für den
Wiederaufbau, auch mit russischem Vermögen. Wir begrüßen den Beginn von
Beitrittsgesprächen mit der Ukraine. Gleichzeitig ist klar, dass ein Beitritt
erst nach Beendigung der Kämpfe und Lösung dieses Konflikts starten kann. Was
aber schon davor beginnen muss, ist der Wiederaufbau der Ukraine. Es braucht
einen Marshall-Plan für den Aufbau öffentlicher und privater Infrastruktur. Die
EU soll eingefrorene russische Vermögenswerte für den Wiederaufbau der Ukraine
mobilisieren. Rund 200 Milliarden Euro an russischen Reserven sind in der EU
eingefroren. Das ukrainische Bruttoinlandsprodukt beträgt aktuell rund 160
Milliarden Euro. Allein die Konfiszierung der Zinseinnahmen auf staatliche
russische Reserven in der EU könnte also signifikante Investitionen in der
Ukraine finanzieren.

Ernste Beitrittsperspektiven für den Westbalkan

Der Westbalkan braucht Beitritts- und Investitionsperspektiven. Die Europäische
Union ist der wichtigste Investor und Handelspartner der Westbalkanstaaten, doch
das lange Warten hat die EU-Perspektive der 17 Millionen Menschen in dieser
direkten Nachbarschaft getrübt. Stattdessen ist der Einfluss Russlands und
Chinas erstarkt. Die EU muss die Beitrittsperspektive als wichtiges
geostrategisches Instrument stärker einsetzen und rascher umsetzen, um
realistische Beitrittsperspektiven zu geben, Reformen klar einzufordern und
anzuerkennen sowie in die wirtschaftliche Infrastruktur zu investieren. Das gibt
vor allem jenen liberal-demokratischen Kräften in der Region Zuversicht, die
sich ehrlich um eine europäische Integration bemühen.

Kein Beitritt für die Türkei, dafür neue Beziehungen mit Großbritannien

Die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei wollen wir in dieser Form abbrechen.
Dafür soll die EU offen für neue diplomatische Bemühungen von Großbritannien
sein. Das Land leidet volkswirtschaftlich und sozial unter den Folgen des EU-
Austritts. Wenn kommende Regierungen eine Vertiefung der Beziehungen zur EU
wünschen, sollten wir gemeinsam daran arbeiten.

Mit europäischen Antworten die Inflation besiegen

Die Bürgerinnen und Bürger in
Europa leiden immer noch unter dem Kaufkraftverlust durch die Inflation. Die
Wirtschaftspolitik der EU muss daher stark darauf abzielen, Preise wieder
dauerhaft zu senken. Das geht nur mit liberalen Rezepten und durch Schaffung von
zusätzlichem Angebot. Das schließt die Vertiefung des Binnenmarkts ein – vor
allem für Arbeit, Energie und Dienstleistungen. Ein wirklicher Binnenmarkt für
Energie soll helfen, Preisdifferenzen zwischen einzelnen Mitgliedsländern zu
senken und das Angebot für günstig produzierte Energie zu erhöhen. Mit dem
Abschluss neuer Freihandelsabkommen wollen wir Investitionen in Europa erhöhen.
Die Wirtschafts- und Währungsunion muss zügig vollendet und die
Kapitalmarktunion als Katalysator für private Investitionen vertieft werden. Die
EZB soll sich auf die Bekämpfung der hohen Inflation konzentrieren. Die
Wettbewerbshüter müssen mit einer Reihe von raschen, fokussierten Verfahren
Preisabsprachen zulasten der Kunden untersuchen, und die EU-Kommission soll
weitere Vorschläge für die Liberalisierung von Märkten machen.

Transnationale Listen

Reform der Europawahlen: Wir setzen uns dafür ein, dass ein Teil der
Abgeordneten zum Europäischen Parlament über länderübergreifende
(transnationale) Listen gewählt wird. Dies soll durch eine Zweitstimme
geschehen. Um antreten zu können, müssen europäische Listen Kandidat:innen aus
mehreren Mitgliedstaaten aufweisen. So stellen wir einen länderübergreifenden
Diskurs sicher, der die EU-Wahl aus der Innenpolitik der Mitgliedstaaten
heraushebt. Die über transnationale Listen gewählten MEPs leisten ihren Beitrag
zu einem gesamt-europäischen, politischen Bewusstsein. Gleichzeitig soll auch
der:die Kommissionspräsident:in durch die Bürger:innen direkt gewählt werden.
Dies erhöht die Legitimation der Kommission und stärkt die Verbindung zu den
Wähler:innen.

Ein selbstbewusstes Europäisches Parlament

Ein selbstbewusstes Europäisches Parlament braucht mehr Kompetenzen. Das
Europäische Parlament soll sich zu dem Ort entwickeln, an dem die großen
Entscheidungen für Europa diskutiert und beschlossen werden. Dieses
selbstbewusste Arbeitsparlament soll das Recht der Gesetzesinitiative
(Initiativrecht) erhalten. Langfristig soll das Europäische Parlament ein Zwei-
Kammern-Parlament werden. Die zweite Kammer wird durch die Parlamente in den
Mitgliedstaaten beschickt. Sie löst die Räte der nationalen Ministerinnen und
Minister ab und spiegelt die politische Zusammensetzung der nationalen
Parlamente wider. 

Zukunftsbudget

In den
vergangenen Jahren hat die EU unterschiedliche Ausgabenprogramme mit neuen Fonds
ermöglicht. Gleichzeitig bleibt das traditionelle Budget stark gebunden mit den
Ausgaben für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) und den Strukturfonds. Wir wollen
die Budgets und Ausgaben konsolidieren, transparent machen und reformieren. Im
Bereich EU-Agrarförderungen fordern wir eine grundlegende Reform: Die Mittel
müssen langfristig weg von der Flächenförderung und hin zu einer integrierten
ländlichen Entwicklung sowie zu kleineren Betrieben. Eine enge Verknüpfung von
Förderungen an Umweltvorgaben (Ökologisierung) und ein Fokus auf regionale
Vermarktung und sanfte Anbaumethoden machen die Landwirtschaft zukunftsfit und
klimaschonender. Auch die Strukturpolitik muss reformiert und treffsicherer
werden und sich auf weniger entwickelte Gebiete konzentrieren. Als zentrale
Kennzahl soll eine Zukunftsquote für die Ausgaben der EU und ihrer Fonds
ermittelt werden, die zeigt, welche Mittel tatsächlich Investitionen in die
Zukunft sind, die auch kommenden Generationen zugutekommen, und nicht bloß
Subventionen. Der Zugang zu den EU-Mitteln soll auch Gemeinden möglichst
unbürokratisch und rasch zur Verfügung stehen, damit diese auch tatsächlich
abgerufen werden können und nicht ungenützt auf Konten liegen.

Klare Sanktionen für Mitgliedstaaten, die sich nicht an unsere Werte halten

Wir stehen für ein Europa der Vielfalt. Der Schutz von Minderheiten ist
innerhalb einer demokratischen Gemeinschaft Voraussetzung für und
wichtigstes Anliegen eines Rechtsstaats. Daher braucht es klare Sanktionen
wie Stimmrechtsentzug und Kürzung von EU-Mitteln, wenn einzelne
Regierungen Grundrechte einschränken oder gegen gemeinsame Werte
verstoßen.

Korruptionsbekämpfung

Der Kampf gegen die Korruption wird ein gesamteuropäisches Anliegen. Das
Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) wird weiter gestärkt. Länder, die
nicht entschieden gegen Korruption vorgehen, müssen mit Sanktionen rechnen. Der
Europäische Rechnungshof soll darüber hinaus durch eine Reduktion der Mitglieder
auf 15 (selbes Verfahren wie bei der Reform der Kommission) effizienter werden.

Entzug des Stimmrechts und der Fördermittel bei Verletzung der Grundwerte

Wer EU-Grundwerte verletzt, muss mit Sanktionen rechnen. Es war dringend
notwendig, im Sinne des Schutzes der europäischen Grundwerte erste Sanktionen
nach Artikel 7 gegen Polen und Ungarn zu erlassen und mittels des
Rechtsstaatsmechanismus EU-Mittel einzufrieren. Sanktionen müssen bei
Grundwerteverstößen und autoritären Tendenzen rasch und ohne Verzögerung
eingesetzt werden, um illiberale Entwicklungen zügig zu ahnden. Die Grund- und
Freiheitsrechte sind das Fundament unserer liberalen Demokratien. Dazu gehören
die unabhängige Justiz sowie freie und unabhängige Medien. Je nach Schwere der
Grundwerteverletzung wollen wir das Stimmrecht in bestimmten Politikbereichen
für eine gewisse Zeit aussetzen sowie zukünftige EU-Fördermittel einfrieren oder
kürzen. Auch in Zukunft sollen Verstöße gegen das Rechtsstaatsprinzip zügig
geahndet werden und Auszahlungen an Länder, die gegen das Prinzip verstoßen,
zurückgehalten werden.

Fiskalregeln müssen verbindlicher werden

Eine Reform der Fiskalregeln ist
notwendig: An die großen Linien – eine Neuverschuldung von 3 Prozent des BIP,
ein Schuldenstand von 60 Prozent des BIP – haben sich viele Länder nie
systematisch gehalten. Zudem waren die Regeln im Detail unverständlich und
schlecht begründet. Eine Reform der Fiskalregeln muss aber sicherstellen, dass
die EU-Länder ihre Staatsschulden und -defizite tatsächlich senken, um nicht in
eine erneute Schuldenkrise zu schlittern. Das ist wichtig, ohne das Wachstum
oder strategisch wichtige Investitionen (für Energietransformation, Klima,
Digitalisierung) abzuwürgen. Möglich ist das mit klaren Ausgaben- und
Schuldenregeln, die die Ausgangslage der Länder berücksichtigen. Dazu braucht es
ein EU-weites Benchmarking der Wirtschaftspolitik, damit die EU-Länder besser
voneinander lernen und effizienter mit Steuergeld umgehen.

Fairer Steuerwettbewerb

Fairer Steuerwettbewerb hilft uns allen, da er Regierungen dazu zwingt,
verantwortungsvoll mit unserem Steuergeld umzugehen und Reformen anzugehen.
Allerdings schaden Steuerschlupflöcher der sozialen Marktwirtschaft und dem
fairen Wettbewerb zwischen Unternehmen, wenn der global tätige Konzern Amazon
Steuern vermeiden kann, der lokale Bäcker aber nicht. Diese Schieflage kann nur
europäisch gelöst werden. Die neu geschaffene Mindestbesteuerung muss daher
regelmäßig evaluiert werden, damit die Steuerbelastung nicht zulasten kleiner
und mittlerer Unternehmen steigt.

Neue Schuldenkrise verhindern

Es braucht ein Insolvenzrecht für Staaten der Eurozone, das den
Mitgliedern der Währungsunion die Möglichkeit gibt, die Schulden wieder auf ein
nachhaltiges Maß zu senken. Dieses Insolvenzrecht soll mit einem klaren
Reformprogramm verbunden sein, das ein zu schaffender Europäischer Währungsfonds
(EWF) überwacht. Dieser soll die Stabilität des Währungsraums sichern und den
Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) ablösen. Die Unabhängigkeit des EWF
soll die Re-Finanzierung von in Schieflage geratenen Euro-Ländern
entpolitisieren.

Europäische Zentralbank

Dass die Währungsunion noch
immer unvollständig ist, war und ist eine Belastung für die Europäische
Zentralbank. Sie muss sich darauf konzentrieren, im Euroraum zurück zu stabilen
Preisen zu kommen. Die höchste Inflation seit Einführung des Euro war nicht
ausschließlich eine Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, sondern
auch einer lange zu lockeren Geldpolitik, die notwendig schien, um Zeit für
Euroländer zu erkaufen, ihre Staatsfinanzen zu sanieren. Der EWF sichert nicht
nur die Stabilität der Eurozone, sondern auch die Unabhängigkeit der Zentralbank
bei der Bekämpfung der Inflation.

Mehr Bürger:innenbeteiligung

Die Zukunft Europas muss mit den Bürgerinnen und Bürgern gestaltet werden. Die
Konferenz zur Zukunft Europas kann nur ein erster Schritt der Beteiligung von
Bürger:innen gewesen sein. NEOS unterstützen den Antrag des Europäischen
Parlaments, die zentralen Forderungen der Konferenz, die sich auch weitgehend
mit dem NEOS-Programm decken, umzusetzen. Darüber hinaus gehört die Europäische
Bürgerinitiative (EBI) reformiert, um möglichst einfach und und
niederschwelliger umgesetzt werden zu können. Zusätzlich soll die Möglichkeit
einer europaweiten Volksabstimmung geschaffen werden, die bei einer bestimmten
Anzahl von Unterstützungserklärungen verbindlich ist. Dazu soll eine doppelte
Mehrheit nötig sein: Sowohl eine Mehrheit der europäischen Bevölkerung als auch
eine Mehrheit der Staaten muss den Vorschlag unterstützen.

Ein einziger Sitz für die EU

Die historisch gewachsene Aufteilung des Europäischen Parlaments auf die drei Arbeitsorte Straßburg (die meisten Plenarsitzungen), Brüssel (Ausschüsse und Fraktionssitzungen) und Luxemburg (Generalsekretariat) ist weder effizient noch zeitgemäß. Daher soll das Parlament
einen einheitlichen Sitz in Brüssel haben, was einen dreistelligen Millionen-
Euro-Betrag einsparen hilft.

Außerdem soll das Parlament das Recht haben, Gesetzesinitiativen und ein Misstrauensvotum
gegen jedes Mitglied der Europäischen Kommission zu initiieren.

Klima und Umwelt

Einheitliche CO2 Bepreisung